DIE FALSCHE FORM DER WÜRDIGUNG

Von Johannes Fischer

von der Lasa Konferenz Cover

Tassilo von Heydebrand und der Lasa and his Chess Collection:
Proceedings of International Conference (sic) of Chess Historians,
Kórnik, September 16-18, 2002,
Olomouc 2003,
286 S., gebunden,
39,90 Euro

(Das Belegexemplar wurde  freundlicherweise von der Firma Niggemann zur Verfügung gestellt.)

Tassilo von Heydebrand und von der Lasa. Ein imposanter Name, ein bemerkenswerter Mann. 1818 in Berlin geboren war er Diplomat von Beruf, Weltreisender, Schachbuchsammler, Autor, Gelehrter und einer der stärksten Schachspieler seiner Zeit. Er schlug Howard Staunton in einem freien Wettkampf und konnte gegen Adolf Anderssen bestehen. Und von der Lasa war bescheiden. Sein berühmtestes Werk, der Bilguer, das lange Jahre einflussreichste Schachbuch der Welt, trägt den Namen eines anderen. Nach dem Tod Paul Rudolf von Bilguers im Jahre 1840 führte von der Lasa die Arbeit seines Freundes fort und ließ das Buch 1843 unter dessen Namen veröffentlichen. Auch alle weiteren fünf Ausgaben bis 1874 betreute von der Lasa. Aber während viele Schachspieler von heute den Bilguer als Begriff noch kennen, sagt ihnen der Name von der Lasa selten etwas.

Grund genug für die Internationale Konferenz der Schachhistoriker, die vom 16. bis zum 18. September 2002 im polnischen Kornik stattfand, sich von der Lasa und seiner Biographie anzunehmen. Der hier besprochene, von Vlastimil Fiala und Stanislaw Sierpowski herausgegebene Band legt jetzt die Vorträge dieser Konferenz als Buch vor und versammelt Aufsätze renommierter Schachhistoriker wie Juri Awerbach, Harald Ballo, Vlastimil Fiala, Hans Holländer, Gerhard Josten, Isaak Linder, Tomasz Lissowki, Egbert Meissenburg, Jean Mennerat, Alessandro Sanvito, Ken Whyld, um nur einige zu nennen.

Man erfährt etwas über von der Lasas Leben und seine Bücher, sein Verhältnis zu Russland oder Lionel Kieseritzky, seine Reise nach Australien, seine umfangreiche Korrespondenz und seine Spielstärke. Während viele der Autoren Interessantes über von der Lasa zu erzählen haben, nehmen andere die Konferenz lediglich zum Anlass, um endlich einmal über etwas berichten zu können, das sie für interessant halten und das irgendwie mit Schach zu tun hat. Ein typisches Beispiel liefert der Beitrag Kazumierz Krawiarz, der die Lebensgeschichte des polnischen Schachspielers Stefan Popiel zum besten gibt. Er berichtet, dass Popiel gerne Marmelade und Schinken zum Frühstück aß, sparsam lebte, mit Krawiarz bekannt und ein guter Schachspieler war – aber über Popiels Verhältnis zu von der Lasa oder seine Bedeutung für die Schachgeschichte fällt kein Wort.

Dies verweist auf ein strukturelles Problem des Bandes: Er ist unglaublich schlampig redigiert – wenn er überhaupt redigiert wurde. Es scheint, als hätten die Herausgeber einfach die Manuskripte aller Vorträge genommen und zwischen zwei Buchdeckel gepresst ohne sich die Mühe zu machen, eine qualitative Auswahl zu treffen oder die Manuskripte zu bearbeiten. Da der Band Aufsätze in drei Sprachen – Englisch, Deutsch und Polnisch – enthält, führt diese redaktionelle Schlamperei zu zahllosen Stilblüten und Druckfehlern, wenn die Autoren keine Muttersprachler sind. Gleich das Titelblatt glänzt mit gebrochenem Englisch und in der „Laudatio“ von Tomasz Lissowski, dem Autor eines Buches über Lionnel Kieseritzky heißt es: „Besonders das Buch über L. Kieseritzky, symbolisch gesagt, feierte sein Empfängnis in Kornik, insofern weil in diesen uralten neunziger Jahren die Verfasser: keinen Zutritt zum e-mail … hatten; … so vieL (sic) Freunde zwischen den ForscheRN (sic) der Schachgeschichte wie heute nicht besitzen….“ (S. 131). Blättert man zur nächsten Seite geht es in diesem Stil weiter. So schreibt Lissowski über die „Drei Regeln für den Forscher der Schachgeschichte“: „Alte Quellen erschtaten (sic) die Korrektur von Fehlern in neuen Quellen. Hierunter ist die Text (sic) derzweiten (sic) Partie des Wettmapfes (sic) Anderssen – Kieseritzky, gespielt in detr (sic) Runde der historischen londoner Turniers 1851 (sic)“ (S. 132).

Nicht alle Artikel bewegen sich auf diesem Niveau, aber man muss kein Pedant sein, um hier ungehalten zu werden und zu bedauern, dass viel Interessantes durch diese Art der Präsentation lächerlich wirkt. Dabei hat von der Lasa demonstriert, wie man es besser machen kann. So zeigt der von Ken Whyld untersuchte Briefwechsel zwischen von der Lasa und dem amerikanischen Sammler John G. White, wie behutsam, sorgfältig und leidenschaftlich sich von der Lasa der Erforschung der verschiedenen Facetten der Schachgeschichte widmete. Eigenschaften, die man den Herausgebern dieses Bandes leider nicht bescheinigen kann, und der dadurch bei allem Wissenswerten, das er enthält, ein sehr gemischtes Vergnügen bereitet.