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Von Harry Schaack

Pert Typical Mistakes Cover

Nicholas Pert,
Typical Mistakes by 1800-2000 Players,
Fritztrainer Strategy,
ChessBase 2016, DVD,
Videospielzeit: 3 Stunden 50 min
(English),
29,90 Euro

(Das Rezensionsexemplar wurde freundlicherweise von ChessBase zur Verfügung gestellt.)

Der Durchschnitt aller deutschen Clubspieler liegt bei einer DWZ von etwa 1600. Spieler mit einer Elo von 1800 bis 2000 haben also schon ein ordentliches Spielvermögen. Doch woran liegt es, dass einige ihre Leistungen nicht mehr steigern können? Die Aufgabe eines Trainers ist es, die spezifischen Probleme zu erkennen und zu beseitigen. Natürlich sind diese häufig individueller Art. Doch der englische Großmeister Nicholas Pert beschäftigt sich auf seiner ChessBase-DVD mit typischen Problemen, mit denen Spieler dieser Kategorie sehr oft zu tun haben, etwa das Erkennen gegnerischer Pläne, der Abtausch der richtigen Figuren, die Realisierung eines Vorteils oder den richtigen Umgang mit passiven Figuren. Der Autor zeigt in 45 Videos zahlreiche Beispielpartien und gibt dem Benutzer Gelegenheit, durch interaktive Fragen seine Fähigkeiten zu schulen.

Typische Fehler – das bedeutet im Umkehrschluss anspruchsvollere Trainingsaufgaben und tieferes Stellungsverständnis. Die Fehler hängen oft mit der Unkenntnis komplexer Sachverhalte zusammen. Allerdings ist ein auf diesem Spiellevel häufig zu beobachtender Schwachpunkt vor allem die Ungeduld. Hat man z. B. eine Stellung, in der es nur einen Durchbruch gibt, so wird dieser oft zu früh gespielt, anstatt ihn in Ruhe vorzubereiten und damit die Durchschlagkraft zu erhöhen.

Ein weiterer gern gemachter Fehler besteht darin, eine Stellung unnötig zu „verkomplizieren“. Man sollte die Position aber nur dann in un­übersichtliche Bahnen lenken, wenn man unter Druck geraten ist. Hat man eine überlegene Stellung, ist es wichtig, die Dinge so einfach wie möglich zu halten und nach simplen Lösungen zu suchen.

Ferner sind Spieler dieser Kategorie gelegentlich zu sehr auf ihr eigenes Spiel konzentriert. Sie spielen ihre Züge und Ideen, ohne die Pläne des anderen zu berücksichtigen. Zur Antizipation der gegnerischen Absichten gehört auch die Sensibilisierung für Zwischenzüge, die den eigenen Plan zerstören oder die Stellung ver­stärken können.

Für Pert ist jedoch die Kunst des Abtauschs das Areal, mit dem Spieler zwischen 1800 und 2000 die größten Probleme haben. Viele scheitern daran, den richtigen Zeitpunkt dafür zu wählen. Oft ist zu beobachten, wie Schwächere in Begegnungen mit stärkeren Spielern statt um Initiative zu kämpfen rasch Figuren tauschen, im Irr­glauben, damit einem Remis näherzukommen. Auch bei Materialvorteil ist Königssicherheit und Beweglichkeit der Figuren wichtiger als die Reduktion des Materials.

Zu den schwächeren Episoden dieser DVD gehört der Eröffnungsteil. Pert weist zwar darauf hin, dass es auf dieser DVD darum nicht vorrangig geht, zeigt dann aber doch mehrere Beispiele, in denen starke Spieler gegen Schwächere sehr schnell durch grobe Eröffnungsfehler in Vorteil kommen. Der Hinweis, dass man gerade mit Schwarz seine Eröffnungen kennen sollte, ist zu allgemein und verlässt etwas die Pfade der gestellten Aufgabe dieser DVD.

Ein weiterer Aspekt in Perts Aufzählung ist die richtige Einschätzung passiver und aktiver Figuren. Spieler dieses Kalibers überschätzen nicht selten die eigene Initiative und übersehen immer wieder, dass ein aktiver Zug eine gegnerische Figur ebenfalls stärken kann. Ein Rückzug des Gegners kann neue Felder für die schlechten gegnerischen Figuren schaffen. Einmal mehr ist Hast der falsche Ratgeber.

Statt direkter Angriffe führt die langsame Verstärkung manchmal schneller zum Erfolg. Es geht oft nicht darum, die eigenen Figuren aktiv zu stellen, sondern die gegnerischen Figuren so passiv wie möglich zu halten.

Ferner behandelt Pert Bauernstrukturen und erklärt, wann und wie man sie effektvoll verändern und angreifen kann. Aber auch Königssicherheit und Züge, die die Struktur oder die Königsstellung schwächen, sind ein Leitthema dieser DVD.

Nicholas Pert will mit Typical Mistakes by 1800-2000 Players keine systematische Aufzählung aller Fehler leisten, die man für dieses Spielniveau als typisch ansehen kann. Die DVD bietet eher ein grobes Raster relevanter Aspekte und ist letztlich eine Sammlung von hilfreichen großmeisterlichen Ratschlägen.