DER GROSSE TRAUM VOM TITEL

Der Mäzen Kurt Hechinger und Königsspringer Frankfurt

Königsspringer Frankfurt zählte zu den erfolgreichsten Schachvereinen Deutschlands. Von Mitte der sechziger bis Mitte der achtziger Jahre kämpfte die Mannschaft um den Titel, belegte sechsmal den zweiten Platz und erlangte 1978 den Deutschen Meistertitel. Doch 1984 ging dem langjährigen Mäzen Kurt Hechinger das Geld aus und Königsspringer war die erste Mannschaft, die aus der Bundesliga am grünen Tisch abstieg. Es ist erstaunlich, dass man diesen 25 Jahre andauernden Teil der Bundesliga-Geschichte bis heute nie wirklich gewürdigt hat und über den langjährigen Förderer des Vereins sehr wenig bekannt ist. HARRY SCHAACK hat sich auf Spuren­suche begeben.

(Der Artikel ist auszugsweise wiedergegeben.
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Der Mäzen Kurt Hechinger

DER MÄZEN

Man kann sich nur schwer vorstellen, wie sich Kurt Hechinger am 4.6.1978 gefühlt haben muss. Als am Abend der Titelver­teidiger aus Bamberg die beiden Hängepartien ohne Wiederaufnahme Remis gegeben hatte, war Königsspringer Frankfurt erstmals Deutscher Mannschaftsmeister – ein Ziel, auf das der 69-jährige Mäzen 20 Jahre lang hingearbeitet hatte. Es muss der glücklichste Tag in seinem Leben gewesen sein.

Die Biographie dieses Mäzens lässt sich nur lückenhaft rekonstruieren: Kurt Hechinger wurde am 4.9.1909 in Nürnberg geboren. Sein Vater, Joseph, heiratete aber erst 1915 Emma Voigt, sodass man annehmen muss, dass sie nicht die leib­liche Mutter von Kurt ist. Laut Heirats­urkunde war sein Vater Jude, dessen Frau aber evangelischen Glaubens. Der Vater verstarb bereits am 19.2.1938, also kurz vor der Reichskristallnacht, mit nur 58 Jahren im Krankenhaus der Israelitischen Gemeinde in Frankfurt.

Kurt Hechinger muss recht früh nach Frankfurt gekommen sein, denn er machte an der Wöhlerschule im Stadtteil Dornbusch sein Abitur. Zunächst studierte er Medizin, brach das Studium aber ohne Abschluss ab, weil er in der Firma seines Vaters, die Druckerzeugnisse vertrieb, kaufmännische Aufgaben übernahm.

Hechinger war vor allem für die Akquise zuständig und wohl oft auf Geschäfts­reisen, bis er die Firma seines Vaters übernahm. (FAZ, 7.10.1978, „Frankfurter Gesichter: Kurt Hechinger“). Wie er mit seinem jüdischen Hintergrund die Jahre im Nationalsozialismus überstand, ist nicht bekannt. Nach dem Krieg handelte er neben Druckerzeugnissen mit wert­vollem Porzellan (Rochade 216, Juli 1982, S.1 und S.30), das er, wie auch antike Möbel, sammelte. Am treffendsten kann man seine Firma wohl als Import-Export-Geschäft bezeichnen.

Mitte der sechziger Jahre war Hechinger in die sogenannte Vacanza-Affäre ver­wickelt, eine der dreistesten Betrugsaffären jener Zeit. 1966 hatte die Frankfurter Staatsanwaltschaft „Ermittlungen gegen einige schweizerische ‚Ferien‘fonds aufgenommen, deren Zertifikate auch in der Bundesrepublik vertrieben worden sind und bei denen der Verdacht betrügerischer Handlungen besteht. Den Erwerbern solcher Zertifikate wurde neben dem Miteigentum an Hotels und Feriendörfern jährlich ein kostenloser Aufenthalt in den fondseigenen Objekten ersprochen.“ (www.zeit.de/1966/43/zeit-spart-geld; www.zeit.de/1966/45/schwindel-it-­ferienglueck/seite-5). Doch es stellte sich heraus, dass Vacanza überhaupt keine Immobilien besaß.

Hechinger hatte die Vacanza-Zertifikate im Wert von 300.000 Mark drucken lassen. Die Entlohnung bestand in 400 Zertifikaten, die er zum eigenen Verkauf erhalten hatte. Um diese Anteilscheine absetzen zu können, gründet Hechinger die Zertifikatsvertriebs GmbH, kurz Zertat genannt, und verkaufte 71 Anteilscheine. Als sich die Justiz mit dem Fall zu beschäftigen begann, erklärte sich Hechinger bereit, „aus eigenem Vermögen für die von ihm verkauften Anteilscheine geradezustehen.“ (Stuttgarter Zeitung, 21.3.1966). Hechinger plante wohl, dutzende Bungalows in Bayern bauen zu lassen, damit die Besitzer der Zertifikate ihre Urlaubsansprüche abwohnen konnten. Doch die Frankfurter Rundschau merkte skeptisch an: „Das klingt reichlich ungewiß und muß als noch zweifelhafter erscheinen wenn man bedenkt, daß gegen Hechinger, nach Angaben der Frankfurter Handelsauskunftei creditreform, in der Zeit vom 12. Dezember 1963 bis 7. Oktober 1965 viermal Haftbefehl zur Erzwingung des Offenbarungseides erlassen worden ist.“ (FR, 24.3.1966) Man bekommt also den Eindruck, dass Hechinger in durchaus windige Geschäfte verwickelt war.

Hechingers Firma lag im Bahnhofsviertel, dem Rotlichtdistrikt Frankfurts, in der Niddastr. 41, von wo aus es nicht weit ins legendäre Schachcafé in der Moselstraße war. Dort lernte er wohl Königsspringer kennen. 1957 trat er dem Verein bei, der damals noch „Königsspringer FFM-­Heddernheim“ hieß, und wurde 1958 Erster Vorsitzender des Klubs. Fortan nannte man sich „Königsspringer Frankfurt“, weil Hechinger mehr als einen lokalen Klub führen wollte. Er stellte von Beginn an das Leistungsprinzip in den Vordergrund, strebte den großen Erfolg an, und brauchte dafür ein anderes Label.

Dieses Mäzenatentum passte gut nach Frankfurt. Von jeher sind durch Bürgerinitiative viele wichtige Projekte realisiert worden – das Städel, die Uni, der Eisener Steg oder der Palmengarten –, die heute wesentlich das Stadtbild prägen. Trotzdem ist es schwer zu sagen, was die Triebfeder dieses nun beginnenden, langjährigen Engagements Hechingers gewesen sein mag.

Er war kein besonders guter Spieler, auch wenn er 1963 bei der Hessenmeisterschaft einmal im Gästeturnier siegte. Aber offenbar war dieser Mann nicht frei von Eitelkeiten, wie sich Jürgen Haakert erinnert, der von 1975-1984 Stammspieler bei Königsspringer war. „Hechinger legte sehr viel Wert auf sein Äußeres und auch auf Statussymbole, wie etwa seinen Sport­wagen. Er zeigte gerne, was er besaß, und brachte mehr als einmal die Bedienungen in Verlegenheit, wenn er in Kneipen mit einem 500 DM-Schein bezahlte.“

Hechinger machte sich im Verein sofort seinen Beruf zu Nutze. Da er mit Druckerzeugnissen handelte, wurden die Spieler, die noch nicht alle ein Telefon besaßen, stets gediegen mit kleinen Kuverts per Post zum Mannschaftskampf eingeladen. Und um mit eigener Stimme zu sprechen, begann er 1958 die Frankfurter Schachblätter herauszugeben, die aber nur eine kurze Lebensdauer hatten.

Sportlich machte sich Hechinger daran, aus dem „relativ unbedeutenden Vorstadtverein“ (Hessen-Rochade, März 1983, S. 7) eine schlagkräftige Truppe zu formen. Er verpflichtete Spieler gegen Geld, was zu jener Zeit sehr ungewöhnlich war. Bald nannte ihn jeder nur noch den „Boss“, und man siezte sich.

(Der Artikel ist auszugsweise wiedergegeben.
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