AUF DER SUCHE NACH EINEM VERKANNTEN CLUB

Eine Exkursion in das Berliner Kulturleben der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Von Johannes Fischer

Ausstellungskatalog Schadows Schachclub Cover
Auf dem Cover des Ausstellungskataloges ist das Gemälde „Die Schachpartie im Palais Voss“ (1816-20) von Johann Erdmann Hummel zu sehen

Ich hatte das deutliche Gefühl, dass mehr hinter diesem Bild steckt.“ Prof. Dr. Hans Holländer versteht etwas von Bildern. Er ist emeritierter Kunsthistoriker und hat jahrelang an der Universität Aachen gelehrt. Vor fünfzehn Jahren stieß er das erste Mal auf Johann Erdmann Hummels Bild Die Schachpartie im Palais Voß (1816-20), das ihn als passionierten Schachspieler interessierte. Aber Holländer wusste auch, dass er das Geheimnis des Hummel-Bildes in Aachen nicht entschlüsseln konnte. „Dazu musste man in Berlin sein, in die Archive gehen können.“

VERDECKTE LEIDENSCHAFT

Mittlerweile leben Hans Holländer und seine Frau Barbara in Berlin. Und ein Zufall brachte sie wieder auf die Spur des Hummel-Bildes. Entdeckt haben sie dabei den ältesten Schachclub Deutschlands, dessen zentrale Figur der Bildhauer Johann Gottfried Schadow ist, Schöpfer der Quadriga auf dem Brandenburger Tor. Aber obwohl Schadow einer der berühmtesten Künstler seiner Zeit war, dessen Leben zahlreiche Biographen dokumentiert haben, blieb seine Schachleidenschaft gut verborgen.

Auch Holländers erfuhren nur durch Zufall davon. 1998, bei einer Tagung in Halberstadt zu Ehren Karl Wilhelm Ramlers, einem Zeitgenossen Lessings und einem bedeutenden Lateiner, sprach Holländer über Ramlers gescheiterten Versuch einer Nachdichtung des Schachepos „Scacchia Ludus“ von Markus Hieronymus Vida aus dem frühen 16. Jahrhundert. Vidas Epos war damals ein Bestseller, wurde ins Polnische, Tschechische und zahlreiche andere Sprachen übersetzt und erfuhr im Laufe der Zeit weit über einhundert Nachdichtungen. Schachgeschichtlich ist Vidas Epos aufschlussreich, weil es die moderne schnelle Gangart der Dame und der Läufer vorstellt und Holländer vermutet, dass dieses Epos großen Anteil an der raschen Verbreitung dieser neuen Form des Schachs hatte.

Solch ein Erfolg war Ramlers Nachdichtung nicht beschieden. Das Projekt kam nie zum Abschluss und scheiterte an Widersprüchen in der Konzeption. Der Ramler-Forscher Carl Schüddekopf beschreibt es so: „1756 läßt [Ramler], abgeschreckt durch die Kritik und anderweitig in Anspruch genommen, den ganzen Plan fallen“ und merkt an: „der erhaltene erste Gesang läßt uns das nicht bedauern“.Aber beim Thema Schach erwähnte die Schadow-Expertin Frau Dr. Badstübner beiläufig Schadows Interesse für das Schach, das aus den Schreibkalendern hervorgeht, kleinen Oktavheften, in denen Schadow am Ende eines Tages Begegnungen und Ereignisse notierte, und die im Zentralarchiv der Staatlichen Museen zu Berlin verwahrt werden.

SPURENSUCHE

Auf der Suche nach mehr Informationen über diese heimliche Schachleidenschaft gehen Hans und Barbara Holländer bald zwei Mal pro Woche ins Zentralarchiv und entziffern Schadows kaum lesbare Schrift „halb Deutsch, halb Latein, der Rest Klaue“. Sie möchten mehr über Schadow, seinen Club und deren Mitglieder erfahren, um zu „sehen, was damals wichtig war, welches Bild die Gesellschaft von sich hatte“.

Johann Gottfried Schadow
Johann Gottfried Schadow


Schadows Aufzeichnungen erweisen sich als ergiebige Quelle. Denn der 1764 geborene Sohn eines Schneiders spielte im intellektuellen Leben des damaligen Berlin eine zentrale Rolle. Er hatte sich durch Talent und Fleiß zum Hofbildhauer hochgearbeitet, war Leiter der Akademie der Künste, Mitglied in zahlreichen Vereinen und verkehrte mit den Großen und den Mächtigen seiner Zeit. Mit Goethe polemisierte er, von Schiller fertigte er Porträtskizzen an, und durch seine gesellschaftliche Stellung kannte er fast jeden, der damals Rang und Namen hatte. Und da er über vierzig Jahre lang beinahe täglich in den Schachclub ging, und die Namen seiner Spielpartner abends sorgfältig notierte, können Hans und Barbara Holländer allmählich eine Mitgliederliste des ersten deutschen Schachvereins erstellen.

Dann beginnt die Suche danach, wer sich hinter diesen Namen verbirgt. Was haben sie gemacht, mit wem haben sie verkehrt, was taten sie im Leben? Es hilft, dass Schadow hierarchiebewusst stets die Titel der von ihm aufgeführten Personen erwähnt. Stück für Stück gehen Hans und Barbara Holländer den Hinweisen Schadows nach und so ergibt sich bei den Recherchen ein neues Bild dieses ersten deutschen Schachclubs, dessen Bedeutung bislang unterschätzt wurde.

DER BEGINN

Für die Mehrzahl der Schachhistoriker beginnt das ernsthafte Vereinsschach mit der Gründung der Berliner Schachgesellschaft im Jahre 1827. Der „Alte Klub“ wird meist als unbedeutende Versammlung wenig spielstarker alter Herren abgetan. Dabei lieferte ein mit dem Kürzel L.B. unterzeichnenden Autor, hinter dem Holländer den Kunstkritiker Ludwig von Beckedorf vermutet, doch eine charmante Gründungsgeschichte des Clubs:

„Am 27. Dezember 1807 ward ich in den Schachklub, diese Berlin vor vielen andern großen Städten Deutschlands vortheilhaft auszeichnende Gesellschaft, durch ein Mitglied eingeführt. Er besteht seit 1803. Im damaligen Sommer kamen mehrere Männer täglich an einem öffentlichen Ort im Thiergarten gegen Abend hin, und spielten dann und wann mit einander eine Partie Schach, wodurch sie sich näher kennen lernten, und eben so sehr an dem wechselseitigen Umgang, als an dem geistvollen Spiele, Behagen fanden. Beim herannahenden Winter, that es ihnen daher leid, daß sie sich trennen sollten; und so entstand der Gedanke, zur Fortsetzung ihrer Zusammenkunft einen etwas erweiterten Schachklub zu errichten. Gedacht, gesagt, gethan! Drei aus ihrer Mitte erhielten den Auftrag, eine schickliche Wohnung zu miethen, die nöthigen Schachspiele zu besorgen, Gesetze zu entwerfen, und die beliebtesten Flugblätter anzuschaffen, damit auch für die Unterhaltung derer gesorgt werde die nicht gerade Lust zum Spielen haben. Am 16. Oktober 1803 ward der Klub eröffnet; … Der Stamm der Gesellschaft bestand aus 34 Mitgliedern; es traten bald noch Andere hinzu; gegenwärtig beträgt die Zahl beinahe 70 Personen, aus allen Ständen: Staatsbeamte, Geistliche, Künstler, Gelehrte“.


EIN VERZERRTES BILD

Das verzerrte Bild des Clubs von 1803 beruht vor allem auf Angaben Tassilo Heydebrand und von der Lasas. Er schreibt:

„Über das Schachspiel im Anfang des Jahrhunderts in Berlin, und überhaupt in ganz Deutschland, besitzen wir keine hinreichend genauen Nachrichten. … Auch die praktischen Erfolge können damals nicht bedeutend gewesen sein. Für Berlin wird diese Annahme dadurch bestätigt, daß Alexandre Deschapelles (1780-1847) …. behauptete, um das Jahr 1807 in dem vier Jahre früher gegründeten alten Schachclub mit Erfolg einen Turm vorgegeben zu haben. … Jedenfalls, wenn es in Berlin … starke Spieler gegeben hätte, ist doch ihre Kunde nicht bis auf uns gekommen. Für uns ist es also, als hätten sie nicht existiert. Die Anfänge der bekannten Zustände knüpfen sich erst an die spätere Ausbildung dieses sogenannten großen Clubs, welchen die Jüngeren aus der heutigen Generation noch als streng abgeschlossene Gesellschaft gekannt haben. … Grosse Meister waren aus ihm nicht hervorgegangen und überhaupt waren jüngere Spieler in diesem Club nicht, wie in der seit 1828 neben ihm bestehenden Gesellschaft auferzogen worden.“
(Tassilo von Heydebrand und der Lasa, „Meine Erinnerungen aus dem früheren Berliner Schachleben“, Schachzeitung der Berliner Schachgesellschaft, 12/1857, S.115f.)

Eine irritierende Passage. Auch wenn man die Aussagen des notorischen Aufschneiders Deschapelles nicht allzu ernst nimmt, bleibt es ein Rätsel, warum der sorgfältig arbeitende Gelehrte von der Lasa, der von Beruf Diplomat und zugleich einer der besten Schachspieler seiner Zeit war, nicht mehr über den Alten Club preisgibt. Mehr gewusst hat er auf jeden Fall. Schließlich war er Teil einer Gruppe, die Ende der 1830er Korrespondenzpartien für den Alten Club spielte. Aber vielleicht wollte von der Lasa die Bedeutung der Schachgesellschaft stärker in den Vordergrund rücken, vielleicht nahm er Revanche für die Exklusivität des Alten Clubs, der keine jungen Leute als Mitglieder aufnahm, vielleicht war ihm auch nur der sportliche Aspekt wichtig, die Erfolge im praktischen Spiel. In jedem Fall sind von der Lasas Angaben irreführend, denn mag der Alte Club sportlich auch keine großen Erfolge gehabt haben, so zeigen die Recherchen der Holländers, welch große Rolle die Mitglieder des Vereins im kulturellen und geistigen Leben im Berlin ihrer Zeit spielten. Schach, so lässt sich daraus schließen, genoss damals ein sehr hohes gesellschaftliches Ansehen.

SPÄTAUFKLÄRER

Viele gesellschaftlich bedeutende Personen der damaligen Zeit gehörten Schadows Schachclub an. Leute wie Christian Wilhelm Hufeland, Arzt an der Charité, Leibarzt am preußischen Hof und Professor für Pathologie und Therapie an der Berliner Universität; der Königliche Astronom Christian Ludwig Ideler, ebenfalls Professor an der Universität; Samuel Heinrich Spiker, Bibliothekar an der königlichen Bibliothek und Doktor der Philosophie; der jüdische Pädagoge Lazarus Bendavid, Direktor einer Schule für jüdische und christliche Kinder; der Architekt Aloys Hirt und nicht zuletzt natürlich der Maler Johann Erdmann Hummel, um nur einige zu nennen.

 Wilhelm Hufeland
Wilhelm Hufeland
 

Sie waren Teil des aufstrebenden Bürgertums, das sich damals in Berlin in Salons, Cafés und Clubs traf und regen geistigen Austausch betrieb. Theodor Ziolkowski schildert diese Atmosphäre anschaulich:

„Im Berlin von 1810 [litt man] – jedenfalls wenn man zur intellektuellen und kulturellen Elite gehörte – keinen Mangel an Unterhaltungsmöglichkeiten. Zu Wochenbeginn konnte man in den Montagsclub gehen …; dienstags fanden die Zusammenkünfte der Zelterschen Liedertafel statt; mittwochs trafen sich die Männer und Frauen der Mittwochsgesellschaft …, die sich auch ‚Humanitätsgesellschaft‘ nannte und wo (neben Vorlesungen) Musik gemacht wurde; donnerstags …. kam beim Verleger … Georg Andreas Reimer die ‚lesende Gesellschaft‘ zusammen, nachdem sich die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften nachmittags um 4 Uhr getroffen hatten; und freitags begegneten sich die Mitglieder der ‚Graeca‘. Außerdem waren fast jeden Tag die Schriftsteller und Gelehrten der Stadt in Werckmeisters Leseinstitut in der Jägerstraße 25 anzutreffen, das laut Eichendorff eine ‚Reihe von erleuchteten Stuben‘ enthielt, wo Lesende am Tische sitzen und alle möglichen Journale und Zeitungen lesen oder sich im ‚Konversationssaal‘, der mit geologischen und astronomischen Karten dekoriert war, unterhalten konnten.“
(Theodore Ziolkowski, Berlin: Aufstieg einer Kulturmetropole um 1810, Klett-Cotta 2002, S.221-222.)

Auch Clemens Brentano, Achim von Arnim und August Wilhelm Schlegel waren gelegentlich im Schachclub zu Gast. Die Mitglieder des Clubs unterstützten die Ideale der Spätaufklärung. Sie glaubten an Toleranz, Gedankenfreiheit und an die Kraft der Vernunft. Das Schachspiel war für sie, wie Holländer sagt, „ein Symbol des vernünftigen rationalen Denkens“ und gab ihnen Gelegenheit, sich auf neutralem Gebiet intellektuell auszutauschen und zu messen.

REGELN

Für ein geordnetes Miteinander in diesen Vereinen sorgten nach guter deutscher Sitte wohldurchdachte Satzungen, die bisweilen wahre Ungetüme an Paragraphenwut darstellten. Schadows Schachclub bildete da keine Ausnahme. Bei ihrer Suche in den Archiven stießen Holländers durch „einen merkwürdigen Zufall“ auf das Original der Satzung, ein „großes, rot gebundenes ansehnliches Buch mit dem Titel in Goldprägung“. Es „enthält die siebzig Paragraphen der Satzung sowie eine Liste mit 139 Mitgliedern“. Gleich die beiden ersten Paragraphen dokumentieren, wie schachbesessen der Club war:

„§1. Der Schach-Klub bildet eine Gesellschaft, deren Mitglieder sich als Liebhaber des Schachspiels vereinigt haben, an einem bestimmten Ort in der Stadt täglich zusammenzukommen.
§ 2. Der Zweck der Mitglieder des Schach-Klubs ist einzig und allein: Schach zu spielen oder diesem Spiele zuzuschauen. Es darf daher durchaus kein anderes Spiel, als dieses, es habe Namen wie es wolle, zugelassen und gespielt werden ….“


EXKLUSIVITÄT

Bei allem Glauben an Vernunft und Toleranz war der Club exklusiv. Wollte man ihm beitreten, musste man sich in einer gehobenen gesellschaftlichen Position befinden und brauchte die Empfehlung zweier alter Mitglieder – ganz anders als in der Berliner Schachgesellschaft, die auf Betreiben von Bledow auch junge Leute als Mitglieder aufnahm und deren Schachtalent förderte.

So ließen sich in Schadows Club vorteilhafte Kontakte knüpfen, und wer nicht spielen oder die damaligen klassischen Schachlehrbücher von Selenus, Stamma, Philidor oder andere zeitgenössische Schachbücher studieren wollte, konnte im Lesezimmer Zeitungen lesen oder sich mit anderen Mitgliedern über Wissenschaft, Kunst, Literatur oder die aktuellen politischen Entwicklungen austauschen. So müssen die Mitglieder des Clubs in den 44 Jahren, die der Club existierte, nicht nur zahllose Schachpartien miteinander gespielt haben, sondern sich auch über ihre Projekte und Ideen unterhalten sowie wichtige Ereignisse der Zeit diskutiert haben, z.B. die Besatzung Berlins durch die Franzosen 1805, der Raub der Quadriga, Napoleons vernichtende Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig 1813, die Rückkehr der Quadriga 1814, Napoleons Tod 1825, die Beleuchtung der Berliner Prachtstraße Unter den Linden durch Gaslaternen 1826, Heines Buch der Lieder 1827, Goethes Tod 1832, die erste Eisenbahnverbindung zwischen Berlin und Potsdam 1838, die Verleihung des Ordens Pour le Mérite an Schadow 1843 oder das Erscheinen von Heines Wintermärchen 1844.

DER SCHACHLICHE NACHLASS

Leider ist keine einzige Partie überliefert, die im Club gespielt wurde. Bekannt sind nur die Korrespondenzpartien mit anderen Städten, die Bledow und von der Lasa in ihren Erinnerungen erwähnen. Nach Ansicht von Holländer deuten diese Korrespondenzpartien auf ein freundschaftliches Verhältnis zwischen Schadows Schachclub und der Berliner Schachgesellschaft hin – obwohl Schachhistoriker die beiden Clubs gerne als Rivalen sehen.

Holländer weist darauf hin, dass sich Schadow und seine Gefährten bereits in der ersten Korrespondenzparte gegen Breslau Hilfe suchten – und zwar beim damals besten Spieler Berlins, wenn nicht gar Deutschlands: Julius Mendheim, der meist nur „der geniale Mendheim“ genannt wird; Mendheim allerdings war Mitglied der Berliner Schachgesellschaft. Um sich seinen dauerhaften Beistand zu sichern, ernannte ihn der Alte Club auf Betreiben Schadows zum Mitglied ehrenhalber. Mit Erfolg: Berlin gewann die Partie und auch in späteren Partien kam es oft zu einer Zusammenarbeit zwischen den beiden Vereinen.

HUMMELS BILD

Aber wenn auch sonst keine Partien des Clubs erhalten sind, so gibt es natürlich noch das Fragment der Partie zwischen Aloys Hirt und Friedrich Bury, die auf dem Bild Hummels gegeneinander spielen. Holländer gelang die Rekonstruktion der Stellung, die vermutlich für das Bild komponiert wurde – und stieß auf ein gutes Beispiel für Hummels Eigenheiten als Maler. Zur Illustration ein Diagramm, das allerdings unvollständig ist und den Dingen vorgreift:

Das Diagramm greift vor, weil der Springer im Hummel-Bild noch gar nicht auf c6 steht. Weiß zieht ihn gerade dorthin. Der resigniert bestürzte Gesichtsausdruck des Schwarzen deutet darauf hin, dass er nach diesem Zug die Partie verliert – und auch aus anderen Quellen weiß man, dass Hirt die Partie gewinnen sollte. Aber das Springerschach gewinnt nur, wenn ein weißer Läufer oder die weiße Dame auf der Diagonale a7-g1 steht – oder wenn eine schwarze Figur dem eigenen König das Fluchtfeld b6 versperrt – in allen drei Fällen setzt Weiß mit Sc6 Matt. Die weiße Dame befindet sich jedoch unter den geschlagenen Figuren, der Läufer ist auf dem Brett nicht zu sehen, und ob eine schwarze Figur auf b6 steht lässt sich nicht eindeutig erkennen. Zwei mögliche Lösungen für dieses Rätsel bieten sich an: der Leuchter im Vordergrund, der die eine Hälfte des Feldes g1 verdeckt, versperrt den Blick auf den Läufer, der dort steht; oder der Springer, den Hirt gerade nach c6 zieht, verdeckt den schwarzen Stein b6. Eine für Hummel typische Konstruktion.

DAS ENDE

Das in den Jahren 1816 bis 1820 entstandene Bild Hummels zeigt glanzvolle Momente des Vereins, aber als die Korrespondenzpartien gespielt wurden, hatte Schadows Schachclub den Großteil seiner Zeit bereits hinter sich. Vielleicht war es die mangelnde Nachwuchsförderung, vielleicht das Klima politischer Veränderung vor 1848 oder eine natürliche Überalterung des Clubs, vielleicht auch Schadows im Alter nachlassende Energie: In den 40er Jahren geriet der Club in eine ernste Krise und die Mitglieder bleiben aus. Schadows Notizbücher spiegeln den Ernst der Lage: „Im Schachklub blieb ich allein“ heißt es einmal oder „im Klub nur Engelhard“. 1847 ist es dann so weit. Schadows Schachklub macht Kassensturz und löst sich fast ein halbes Jahrhundert nach seiner Gründung auf.

Drei Jahre später, 1850, stirbt Schadow. Ein weiteres Jahr später, 1851, feiert das deutsche Schach durch den Sieg Adolf Anderssens im Londoner Turnier seinen ersten großen sportlichen Erfolg; mit den weiteren Triumphen des deutschen Schachs gerät Schadows Schachclub allmählich in Vergessenheit.

Schadows Aufzeichnungen, das Bild von Johann Erdmann Hummel und das Engagement von Hans und Barbara Holländer haben dafür gesorgt, dass der erste Schachclub Deutschlands jetzt angemessen gewürdigt werden kann. Er brachte keine erfolgreichen Turnierspieler hervor und hinterließ keine brillanten Glanzpartien, aber legt beredtes Zeugnis der bedeutenden Rolle des Schachs im Geistesleben der damaligen Zeit ab.

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Anlässlich des 200-jährigen Jubiläums von Schadows Schachclub findet
vom 3.10. bis zum 16.11.2003 eine Ausstellung in der Kunstbibliothek Berlin statt, zu der es einen von den Kuratoren Prof. Dr. Hans Holländer und Barbara Holländer gestalteten Katalog gibt.

Auch die Schachhistoriker und die Chess Collectors International nutzen
die Ausstellung und treffen sich in Berlin. Die Historiker vom 17. bis zum 19.10.
und die Sammler vom 24. bis zum 26.10. Einzelheiten und Programm gibt es
im Internet auf der Webseite der Lasker-Gesellschaft: www.lasker-gesellschaft.de