„ICH WOLLTE IMMER GESTALTEN“

2011 wurde der Saarländer Herbert Bastian zum neuen DSB-Präsidenten gewählt. Mit KARL sprach der Internationale Meister, Schachautor, Schachtrainer und leidenschaftliche Funktionär, der Vater von fünf Kindern ist, über seine Schachkarriere, seine Überzeugungen und über die Zukunft des DSB.

Aufgezeichnet von Johannes Fischer

(Das Porträt ist folgend auszugsweise wiedergegeben.
Den ganzen Text lesen Sie in KARL 3/11.)

Herbert Bastian
Herbert Bastian (Quelle: Bastian Privat)

Geboren wurde Herbert Bastian am 10. Dezember 1952. Von 1972 bis 2010 wurde Bastian 20 Mal saarländischer Meister, an Deutschen Meisterschaften nahm er insgesamt 21 Mal teil. 1976 gewann Bastian den deutschen Dähne-Pokal, 1981 und 1985 nahm er an den Großmeisterturnieren in Baden-Baden teil, 1983 an den Internationalen Deutschen Meisterschaften in Hannover. Von 1982 bis 1992 spielte Bastian für den Münchner Schachclub 1836 in der 1. Bundesliga, 2005 wurde er Internationaler Meister.

Als Autor veröffentlichte er zahlreiche Artikel in Schachzeitschriften und schrieb Bücher über Schachdidaktik. Seit 1991 betreut er die wöchentliche Schachecke in der „Saarbrücker Zeitung“.

Seit 1967 leitet Bastian Schachgruppen, 1986 wurde er A-Trainer, 1992 Präsident des Saarländischen Schachverbands, seit 2004 ist er Sprecher des Arbeitskreises der Landesverbände. 2011 wurde er zum DSB-Präsidenten gewählt.

Nach dem Abitur 1972 diente Bastian von 1972 bis 1974 als Fallschirmjäger in der Bundeswehr, von 1974 bis 1981 studierte er Mathematik und Physik an der Universität des Saarlandes und von 1981 bis 1990 arbeitete er als Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Experimentalphysik an der gleichen Universität. Seit 1990 arbeitet Bastian als Lehrer, 1992 wurde er Studienrat.

Herbert Bastian lebt und arbeitet in Saarbrücken, ist Vater von fünf eigenen und zwei angeheirateten Kindern und liegt mit einer Elo-Zahl von 2338 auf Platz 350 der deutschen Rangliste.

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„Schach habe ich gelernt, als ich ca. acht Jahre alt war. Wir hatten zuhause eine Spielesammlung, die ein Schachspiel enthielt, mein Vater hat mir die Regeln erklärt und dann haben wir am Wochenende gelegentlich gegeneinander gespielt. Gewinnen lassen hat er mich allerdings nie, aber ich ließ mich nicht entmutigen und habe so lange immer wieder gegen ihn gespielt, bis ich schließlich gewonnen habe. Das muss Jahre gedauert haben. Zwischenzeitlich stärkte ich mein Kombinationsvermögen durch das Lösen von Schachaufgaben aus der Zeitung. Schach gelernt habe ich etwa 1960, aber erst 1965 oder 1966 habe ich das erste Mal gegen meinen Vater gewonnen.

1966 war auch das Jahr, in dem mein erster Verein SC Aljechin Emmersweiler von Jugendlichen aus meinem Bekanntenkreis gegründet wurde. Ich habe oft mit Freunden aus der Schule Schach gespielt und wurde dann von diesen Jugendlichen, die heute in alle Welt zerstreut sind, angeworben. Ich war nicht von Anfang an Mitglied, aber als ich einmal dabei war, fing ich schnell Feuer. Eigentlich bin ich, wenn man so will, Funktionär seit ich Schach spiele. Ich habe Jugendarbeit gemacht, ich war Kassierer im Schachverein, ich habe Schulschachgruppen geleitet und leite sie immer noch, ich habe früh eine Ausbildung zum Trainer gemacht und wurde 1992 Präsident des Saarländischen Schachverbandes. Ich wollte immer gestalten und halte es schlecht aus, wenn ich sehe, was zu tun ist und nichts geschieht.

Deshalb habe ich schließlich auch für den Posten des DSB-Präsidenten kandidiert. Ich war schon seit Jahren als Sprecher der Landesverbände aktiv und habe stets versucht, durch Papiere, Beiträge oder persönliche Kontakte Anregungen zu geben, Vorschläge zu machen und Dinge zu gestalten. Doch irgendwann habe ich erkannt, dass meine Beiträge aus meiner damaligen Position heraus keine aus­reichende Wirkung haben und ich habe mir gesagt, entweder engagiere ich mich richtig oder ich lasse es sein. Also habe ich mich für das Amt des DSB-Präsidenten beworben, mit der Option, im Falle einer Niederlage als Vizepräsident ins Präsidium zu gehen.

PLÄNE FÜR DEN DSB

Ich glaube, der Erfolg meiner Bewerbung hatte vor allem inhaltliche Gründe, weil ich schon lange im DSB aktiv bin und viele Ideen beigesteuert habe. Natürlich möchte ich auch als DSB-Präsident etwas bewirken.

Als einer der größten und traditionsreichsten Schachverbände der Welt sollten wir versuchen, den Abstand zur Weltspitze zu verringern. Wir haben eine enorme Breite, aber uns fehlen Weltklassespieler. Deshalb sollte es eine vorrangige Aufgabe des DSB sein, jungen Talenten den Rahmen zu geben, das Beste aus ihrem Talent zu machen, damit sie in die Weltspitze vorstoßen können. Zugleich müssen wir es schaffen, dass sich die Breite wieder mehr mit der Spitze identifiziert. Ich habe mich in der letzten Zeit ein paar Mal mit Arkadij Naiditsch getroffen, der mir klargemacht hat, dass man die Nationalmannschaft zu einer Marke machen muss. Einer Marke, die bekannt ist, einen Wert hat und für Sponsoren interessant ist. Und erst wenn die Nationalmannschaft bekannter ist, wird sich die Breite auch wieder mehr mit ihr identifizieren.

Generell wichtig ist eine stärkere Einbeziehung von Frauen. Wir haben bei den Frauen einen Mitgliederanteil von nur sieben Prozent, deutlich weniger als andere Sportarten. Diese Schieflage wirkt sich auf das Vereinsleben und das soziale Leben in den Vereinen ungünstig aus.

Außerdem muss sich der DSB noch mehr zu einem echten Sportverband wandeln. In heutigen Schachvereinen spielt man meist nur Vereinsturniere, analysiert und trainiert wenig und haut beim Blitz die Uhren kaputt. Moderne Vereine machen mehr. Wenn man heute als Verein überleben will, muss man sich mit Gemeinde und Schulen vernetzen, Öffentlichkeitsarbeit machen, auf Veranstaltungen präsent sein, am sozialen Leben teilnehmen, aktive Jugendarbeit leisten und versuchen, alle Generationen und Geschlechter am Vereinsleben zu beteiligen. Aber die derzeitigen Strukturen im DSB sind immer noch zu amateurhaft und unprofessionell. Das werde ich in meiner Amtszeit nicht grundlegend ändern können, aber ich kann versuchen, Änderungen anzustoßen. Uns fehlen echte Sportfunktionäre, und leider hat das Wort „Funktionär“ im deutschen Schach einen schlechten Klang. Dabei gibt es im Schach wie auch in anderen Sportarten sehr gute Funktionäre, Leute, die sich als Sportmanager verstehen und dafür sorgen, dass ihre Vereine gedeihen. Da gibt es im deutschen Schach einige, zum Beispiel die Mannschaftsführer der erfolgreichen Bundesligavereine.

Zu einem modernen Sportverband gehört gutes Marketing, und auch da steckt der DSB noch in den Kinderschuhen. Wir haben zum Beispiel keinen Marketing-Beauftragten im DSB und über die Frage „Was kann man einem Sponsor anbieten?“ muss noch viel mehr nachgedacht werden.

Sehr am Herzen liegt mir die Formulierung eines Verbandsprogramms. Ein verbindliches, im demokratischen Prozess erarbeitetes Programm, mit dem sich der DSB definiert und positioniert und sagt, was er erreichen will und was er tut.

Das gelingt wohl nicht in zwei Jahren, aber ich möchte Anstöße geben – hier gilt der Satz „Der Weg ist das Ziel“. Denn wenn man sich auf den Weg macht, ein solches Verbandsprogramm aufzustellen, muss man überlegen, wo man steht, was einem das Schach bedeutet und was man erreichen will. Ein solches Programm kann als Orientierung für die sportpolitische Arbeit im DSB dienen und von meinen Nachfolgern regelmäßig überarbeitet und aktualisiert werden.

Meiner Meinung nach muss der Präsident in Debatten Stellung beziehen und sich zu strittigen Punkten äußern. Deshalb schreibe ich auf der DSB-Webseite regelmäßig Artikel, in denen ich Ideen vor­stelle und Richtungen vorschlage.

Außerdem stellen wir uns Kritik und reagieren darauf. Nehmen wir den Fall der Nationalmannschaft. Die Spieler haben im Vorfeld der Olympiade bestimmte Dinge kritisiert, und ich habe den Eindruck, diese Punkte sind schon seit langem kritisiert worden – ohne dass die Kritik ausreichend gehört wurde bzw. sich merklich etwas geändert hat. Das darf nicht passieren. In solchen Fällen muss das Präsidium reagieren oder explizit sagen „Auf diese Kritik gehen wir nicht ein“.

Generell ärgert mich der schlechte Ruf des Deutschen Schachbundes. Dazu kommt die fehlende Identität – für den durchschnittlichen Schachspieler ist der DSB weit entfernt und ohne greifbare Bedeutung. Da muss etwas getan werden und dazu werde ich meinen Beitrag leisten. Denn wenn man sich wählen lässt, hat man Verantwortung. Man muss sich klar darüber sein, dass man nicht nur eigene Interessen vertritt, sondern auch die Interessen seiner Wähler. Natürlich muss man als Funktionär gestalten wollen und eigene Ansichten entwickeln – aber man ist auch Dienstleister.“

(Das Porträt ist folgend auszugsweise wiedergegeben.
Den ganzen Text lesen Sie in KARL 3/11.)