KOLUMNE

Die Karl-Kolumne ergänzt die Printausgabe des Karl. Die Kolumne präsentiert Rezensionen aktueller und alter Schachbücher, Betrachtungen über die Literatur, Kultur und Psychologie des Schachs und gelegentliche Kommentare zum aktuellen Schachgeschehen.

 

EIN STARKES TEAM

„ChessBase 12“ & „Houdini 3“

Von FM Harry Schaack

ChessBase12 cover

ChessBase 12,
DVD oder Download,
in mehreren Sprachen
erhältlich,
Download 99,99 Euro,
Startpaket: 179,90 Euro,
Megapaket 269,90 Euro,
Premiumpaket 369,90 Euro

Houdini 3 Cover

Houdini 3 Standard
Multiprozessorversion,
Download oder DVD,
ChessBase 2012,
79,90 Euro
(Houdini 3 Pro
99,90 Euro)

(Die Belegexemplare wurden  freundlicherweise von der Firma ChessBase zur Verfügung gestellt.)

I. DAS DUTZEND IST VOLL

Schach findet heute vor allem an einem Ort statt: im Computer! Partien live zu verfolgen, selbst spielen, aber auch Gegnervorbereitung und Eröffnungsstudium werden heute meist am PC oder Laptop erledigt. Dabei ist es unumgänglich, die riesigen verfügbaren Datenmengen vernünftig zu organisieren, zu ordnen und schnellen Zugriff darauf zu haben. Die wohl populärste Software auf diesem Gebiet ist die ChessBase-Datenbank, die seit ihrem Erscheinen – in den Anfangsjahren in enger Zusammenarbeit mit Garri Kasparow – Standards in der schachlichen Datenverarbeitung gesetzt hat. Die Software, die schon 1985 Pionierarbeit leistete, liegt mittlerweile in der zwölften Ausgabe vor.

Das Programm der gleichnamigen Hamburger Softwarefirma ist sehr umfangreich. Eine Herausforderung liegt in der fortwährenden Anpassung an die aktuellen Betriebssysteme. Den Herstellern gelingt es jedoch darüber hinaus, das Programm stets durch neue hilfreiche Funktionen zu erweitern.

Mit CB 12 kann man in Datenbanken vor allem nach einer Vielzahl von Kriterien sehr schnell Partien, Turniere, Spieler und Eröffnungen suchen und sortieren. Man kann sich Statistiken mit Erfolgswahrscheinlichkeiten anzeigen lassen und mit einem Klick ein detailliertes Dossier zur Turniervorbereitung auf einen Gegner erstellen. Zudem gibt es zahlreiche Kommentierungsfunktionen für die eigenen Analyse. Seit Version 11 lassen sich Neuerungen in einer Partie automatisch anzeigen.

Immer wichtiger werden Programm-Verknüpfung mit virtuellen Daten im Internet. Dabei spielt die Firmenseite von ChessBase eine zentrale Rolle. Der Käufer hat Zugang zu einer stets aktuellen Online-Datenbank. Zudem ist mit dem Erwerb von CB 12 ein einjähriges Abonnement zur Aktualisierung der mitgelieferten Referenzdatenbank mit fast 5,5 Millionen Partien gewährleistet. Und da man Schach nicht nur theoretisch begreifen will, sondern auch Praktizieren möchte, gibt es auch einen kostenlosen Zugang zu schach.de, dem ChessBase-Spielserver, der mittlerweile mit über 200.000 Mitgliedern der größte der Welt ist. Wichtig für Fernschachspieler ist der direkte Zugang zum ICCF-Server, sodass Partiezüge einfach weitergeleitet werden können.

CB 12 bietet mehrere neue Funktionen. In den letzten Jahren ist das Programm nicht nur benutzerfreundlicher geworden. Auch die Trainingsmöglichkeiten werden von Version zu Version umfangreicher. Öffnet man ein Partiefernster, kann man unter „Report“ nun „Ähnliche Strukturen“, „Ähnliche Züge“ oder „Ähnliche Endspiele“ abrufen. Damit wird in der Referenzdatenbank nach spezifischen Merkmalen gesucht, z.B. nach einer Bauernstruktur, nach bestimmten Zugmanövern oder nach Endspielen mit gleicher Materialverteilung. Dadurch ergeben sich neue Verknüpfungen, neue Sichtweisen und neue Trainingsmöglichkeiten.


Mit CB 12 stehen dem Nutzer nun auch alle Funktionen von Fritz 13 zur Verfügung, insbesondere die sogenannte „Cloud“. In ihr lassen sich online Partien analysieren. Über die Funktion „Let’s Check“ macht man die eigenen Analysen der Allgemeinheit zugänglich und hat dadurch Zugriff auf Analysen anderer. Das ist besonders im Eröffnungsbereich brauchbar. Über „LiveBuch“ lassen sich diese neuen Erkenntnisse direkt zur Partie abrufen. Warum soll man eine Stellung von einer Engine stundenlang analysieren lassen, wenn das Ergebnis bereits von einem anderen erbracht wurde? Alle Ergebnisse werden automatisch in der mittlerweile mit über fünf Millionen Stellungen größten Analyse-Datenbank gespeichert. Die Cloud ist ein gewaltiges weltweites Forschungsprojekt, von dem jeder profitieren kann.

Zudem gibt es die Möglichkeit, in einer Cloud auf diverse Schachprogramme gleichzeitig zuzugreifen, die – parallel auf verschiedenen Computern laufend – tiefe Stellungsbewertungen erzeugen. Dadurch lässt sich neben einer großen Auswahl an Engines auch auf fremde Ressourcen, also bessere Hardware anderer Computer zugreifen. Allerdings ist diese Nutzung nicht umsonst, sondern bedarf einer Dukatengebühr (Dukaten sind die Währungseinheit auf dem ChessBase-Server, mit der man zusätzliche Dienstleistungen in Anspruch nehmen kann. Zehn Dukaten entsprechen einem Euro.) Wenn man umgekehrt seine eigene Engine der Allgemeinheit zur Verfügung stellt, kann man bei Fremdnutzung natürlich auch Dukaten verdienen.

Für Webmaster ist die Funktion „Im Web veröffentlichen“ unter dem „Datei“-Reiter wichtig, mit der man mit nur einem Klick eine Partie für die eigene Internetseite in Java Script erstellt.

Da sich die Optik der Version 12 kaum von der Version 11 unterscheidet, lassen sich einige Verbesserungen der neuen Version nicht auf Anhieb erkennen. Sie sind auf eine Optimierung der Programmierung zurückzuführen. Die Suchfunktionen sind deutlich schneller geworden. CB12 läuft nun auf 64-bit mit Multicore Unterstützung.

CB 12 gibt es in verschiedenen Versionen. Die Download-Version ist am günstigsten, enthält aber keine Datenbank. Als „Goody“ erhält der Käufer des Startpaketes neben der Big Datenbank noch ein Halbjahresabonnement des ChessBase Magazins. Im Megapaket ist die mitgelieferte Datenbank größer und ein ChessBase Magazin Jahres-Abo enthalten. Und in der Premiumsversion gibt e noch die ChessBase Fernschachdatenbank 2013, den Endgame Turbo 3 (9 DVDs) sowie ein Jahr Premium-Mitgliedschaft auf dem Spieleserver schach.de oben drauf.

II. ENTFESSELUNGSKÜNSTLER

oder
Warum ein Teleskopspiegel für das stärkste Schachprogramm Pate stand

Zwar hat man in CB 12 in der Cloud Zugriff auf diverse Engines. Allerdings will man seine Analyseergebnisse nicht immer mit anderen teilen. Daher ist für den ambitionierten Schachspieler ein eigenes Analyseprogramm unabdinglich.

Vor allem für Fernschachspieler ist heute Houdini 3 das Non plus Ultra. Nicht von ungefähr trägt es den Namen des weltberühmten Zauberers, der 1874 als Erik Weisz in Budapest geboren wurde. Wie der Namensgeber mit seinen schier unmöglichen Entfesselungstricks die Menschen seiner Zeit begeisterte, so macht die Engine Houdini die Schachspieler der Gegenwart staunen. In scheinbar aussichtslosen Situationen findet es oft noch verblüffende Rettungen.

2011 verdrängte die Version 1.5a den Branchenprimus Rybka 4 von der Spitze der Computerweltrangliste. Houdini 3 wird im Moment je nach Computerliste und Zeitmodus mit einer Elo-Zahl zwischen 3050 und etwa 3150 geführt. Und dabei dachte man schon bei Rybka, dass es kaum noch stärker geht. Doch der Programmierer Robert Houdart hat noch bessere und schnellere Suchalgorithmen gefunden.

Der Belgier, der mit einer Elo-Zahl von 2250 früher kein schlechter Schachspieler war, hatte beruflich mit Strukturmechanik und später mit Business Software zu tun. Er hat zwar nie eine Ausbildung zum Programmierer gemacht, beschäftigte sich aber schon im Kindesalter damit. Als der begeisterte Hobbyastronom 2009 sehr lange auf einen neuen Spiegel für sein Teleskop warten musste, brachte er seine kreative Energie anderweitig ein. Er widmete sich intensiv dem Houdini-Projekt.

Bei seiner Programmierung profitierte Houdart vom offenen Austausch. Im Internet ließ er sich durch „Open Source Engines“, besonders von Stockfish und Ippolit anregen. Über das Programmieren kann man heute vieles im Internet lesen. Doch irgendetwas hat Houdart offenbar anders gemacht als andere. Gute Bewertung und eine noch bessere Auswahlmethodik machen den Unterschied, sagt der Belgier. Im richtigen Fokussieren liegt das Geheimnis. Im Verteidigen schlechter Stellungen und in der Taktik hat das Programm im Moment keine Konkurrenz. Obwohl Houdini 3 unangefochten dominiert, arbeitet Houdart mittlerweile schon an der nächsten Version …

Die folgende Partie hält Houdart für eine der besten je gespielten Computerpartien – und dabei handelt es sich noch um eine frühere, also schwächere Houdini-Version! Die drei fast intuitiv anmutenden Bauernopfer für Figurenspiel gegen das damals beste Programm der Welt sind auch menschlich faszinierend. Die Schachengine spielt mit fast göttlicher Weitsicht.

Rybka 4.0 – Houdini 1.5a
TCEC S1 Elite Match, 01.2011 [B22]

1.e4 c5 2.c3 Sf6 3.e5 Sd5 4.Sf3 Sc6 5.Lc4 Sb6 6.Lb3 c4 7.Lc2 Dc7 8.De2

8…g5 9.e6 dxe6 10.Sxg5 De5 11.d4 Dxe2+ 12.Kxe2

12…e5 Houdinis erstes Bauernopfer. 13.dxe5 Sxe5 14.Sxh7 Lg7 15.Sg5 Ld7 16.Sa3

16…Sd3 Das zweite Bauernopfer, obwohl schon die Endspielphase erreicht ist. 17.Lxd3 cxd3+ 18.Kxd3 Sa4 19.f3 a5 20.Se4 f5 21.Sf2 b5 22.Sc2 b4 23.cxb4

23… Kf7 Ein unglaublicher Zug. Schwarz stellt mit einem stillen Manöver seinen König besser, verbindet seine Türme – und opfert den dritten Bauern. Obwohl keine Damen mehr auf dem Brett sind, gerät der weiße Monarch in einen nicht mehr zu parierenden Angriffswirbel. 24.bxa5 Txa5 25.Kd2 Td8 26.Sb4 Te5 27.Sfd3 Lb5

Danach ist das immer noch komplizierte Endspiel technisch gewonnen, wie Houdini „mühelos“ zeigt. 28.Te1 Sc5 29.Txe5 Lxe5 30.f4 Lf6 31.Ke1 Sxd3+ 32.Sxd3 Lxd3 33.a4 Tc8 34.a5 Tc2 35.Ld2 Txb2 36.a6 Le4 37.Ta3 Lxg2 38.a7 Tb1+ 39.Ke2 La8 40.Le1 Ld4 41.Ta2 Tb3 42.Lg3 Ke6 43.Kf1 Lc5 44.Ke2 Kd7 45.Kf1 Tb4 46.Ke1 Ld6 47.Kf2 Lxf4 48.h4 Lh6 49.Kf1 Tb1+ 50.Le1 e5 51.h5 f4 52.Td2+ Kc7 53.Tc2+ Kb6 0-1

Das Hamburger Softwareunternehmen ChessBase bietet Houdini 3 unter der Oberfläche von Fritz 13 an. Mit dem Kauf ist eine zwölfmonatige Mitgliedschaft auf dem Schachserver schach.de verbunden.