KOLUMNE

Die Karl-Kolumne ergänzt die Printausgabe des Karl. Die Kolumne präsentiert Rezensionen aktueller und alter Schachbücher, Betrachtungen über die Literatur, Kultur und Psychologie des Schachs und gelegentliche Kommentare zum aktuellen Schachgeschehen.

 

NEUE GEHEIMNISSE

Jeroen Boschs Secret Opening Surprises

Von FM Jochen Wege

Schach ohne Scheuklappen 2 Cover

Jeroen Bosch,
SOS – Schach ohne Scheuklappen, Bd.2,
New In Chess 2005
kartoniert, 144 Seiten,
17,95 Euro

(Das Belegexemplar wurde  freundlicherweise von der Firma Niggemann zur Verfügung gestellt.)

Der niederländische IM Jeroen Bosch stellt mit der Serie SOS (Secret Opening Surprises) Nebenvarianten diverser Eröffnungen vor. Das Buch beginnt mit  den „SOS Files“, hier werden Partien präsentiert, die mit den in SOS 1 vorgestellten Varianten gespielt worden sind. Für die beste Partie vergibt  Bosch eine Prämie von 250$. Gewinner war Magnus Carlsen mit seinem Sieg gegen Dolmatov im verbesserten Lisitsin-Gambit (1.Sf3 f5 2.d3). Schon in den „SOS Files“ wird deutlich, dass der Leser sich nicht einfach auf die im Buch angegebenen Analysen verlassen sollte. An mehreren Stellen wird die in SOS 1 angegebene Stellungsbeurteilung durch den Partieverlauf widerlegt. In  der heutigen  Zeit kann ich nicht ganz nachvollziehen, warum man nicht alle veröffentlichten Varianten vorher durch einen Computer prüfen lässt.

Im  Folgenden werden von verschiedenen Autoren 16 Eröffnungsüberraschungen vorgestellt.  Die Systeme wurden fast alle auch von Großmeistern gespielt. An erster Stelle ist – welch Überraschung – Alexander Morosewitsch zu nennen. Ich greife zwei Kapitel heraus:

Sergej Movsesjan: „Play like a beginner“

Movsesjan stellt einige Partien vor, in denen er den klassischen Sizilianer (1.e4 c5 2.Sf3 Sc6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 d6) erfolgreich mit dem Zug 6.h3 bekämpfte. Hauptidee dieses Zuges ist, mit nachfolgendem g4 eine Art Keres-Angriff zu spielen. Schwarz hat die Wahl, in welches andere sizilianische System er überleitet. Am plausibelsten erscheint mir der Übergang in den Drachen (6. …g6) oder in die Scheveninger Variante (6….e6). Weiß muss in jedem Fall zeigen, dass der Zug h3 keinen Tempoverlust darstellt. Insgesamt hinterlässt das Kapitel einen schwachen Eindruck. Movsesjan begnügt sich damit, seine Partien zu kommentieren, ohne die positiven und negativen Aspekte des Zuges 6.h3 in der Eröffnungsphase kritischer zu beleuchten.

Darius Rogozenko:„A Latvian Speciality vs the dragon“

Die “lettische Spezialität” gegen den Drachen besteht im Aufbau 6.Lg5 nebst 7.Lb5+, benannt nach Alvis Vitolinsh. Das auf den ersten Blick harmlose System enthält einiges an Gift. Schwarz muss aufpassen, um nicht frühzeitig in Nachteil zu geraten. Das Kapitel gefällt sehr gut, da Rogozenko nicht nur die Ideen des Systems beschreibt, sondern auch in den vorgestellten Partien relativ ausführlich Nebenvarianten der Eröffnung analysiert. Der Spieler, der keine Lust auf lange Theorieduelle im Drachen hat, findet hier eine interessante Alternative.

Insgesamt sind 16 Kapitel zu viel für nur 140 Seiten. Ein paar weniger Kapitel, dafür diese ausführlicher, hätten es meines Erachtens besser getan. Zu häufig werden Zugvorschläge ohne Angabe von Varianten, Plänen und Ideen in den Raum gestellt.

FAZIT

SOS 2 ist ein Füllhorn interessanter Ideen, die aber ohne eigene Analyse wohl nicht in einer Turnierpartie ausgetestet werden sollten. Mit ein wenig Arbeit kann der Freund wenig ausgetretener Theoriepfade allerdings viel Spaß mit dem Buch haben.