KOLUMNE

Die Karl-Kolumne ergänzt die Printausgabe des Karl. Die Kolumne präsentiert Rezensionen aktueller und alter Schachbücher, Betrachtungen über die Literatur, Kultur und Psychologie des Schachs und gelegentliche Kommentare zum aktuellen Schachgeschehen.

 

EINE GUTE ÜBERSICHT ZUR
TARRASCH-VARIANTE IM FRANZOSEN

Von FM Uwe Kersten

Pedersen French Tarrasch Cover

Steffen Pedersen,
The French:
Tarrasch Variation,
Gambit Verlag 2005,
paperback, 191 Seiten,
26,50 €

(Das Belegexemplar wurde  freundlicherweise von der Firma Niggemann zur Verfügung gestellt.)

Gegenstand des vorliegenden Buches ist die Tarrasch-Variante der Französischen Verteidigung. Steffen Pedersen untersucht hier alle sinnvollen Abspiele nach 1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 ohne dabei für eine Seite Partei zu ergreifen, ist also um eine objektive Stellungnahme bemüht. Partien sind bis einschließlich 2004 / teilweise 2005 berücksichtigt, womit Pedersens Arbeit die z. Z. aktuellste – in Buchform – zum Thema ist. Allerdings konzentriert er sich nicht ausschließlich auf die neusten Entwicklungen, es fehlen auch ältere Partiefragmente nicht, soweit sie eine wichtige Grundlage der Theorie bilden. Es gelingt dem Autor sehr gut, sein Werk übersichtlich zu gestalten – auch das Inhaltsverzeichnis ist vorbildlich – und den Leser von der lästigen Aufgabe zu entbinden, das Wichtige vom weniger Wichtigen zu trennen. Das chronologische Vorgängerwerk zum Thema von Lev Psakhis, French Defence 3.Sd2, Batsford 2003, gibt wohl etwas mehr Partiematerial, allerdings auf Kosten der Überschaubarkeit. Dass sich die zwei Jahre, welche zwischen dem Erscheinen der beiden Bücher liegen, auch inhaltlich bemerkbar machen, möchte ich an folgendem interessanten Beispiel belegen:

1.e4 e6 2.d4 d5 3.Sd2 Sf6 4.e5 Sfd7 5.Ld3 c5 6.c3 Sc6 7.Sgf3 f6 8.Sg5? Ein scharfer taktischer Überfall, der schon manchen schwarzen Skalp eingebracht hat, aber einer genauen Analyse nicht Stand hält. [8.exf6!] 8…fxg5! 9.Dh5+ g6 10.Lxg6+ hxg6 11.Dxg6+ Ke7 12.Se4 Sdxe5 13.Lxg5+ Kd7 14.Sf6+ [Nicht besser ergeht es Weiß nach 14.dxe5 Sxe5 15.Sxc5+ Lxc5 16.Dg7+ Le7 mit Vorteil für Schwarz in Almeida – Romero, Andorra 1987] 14…Kc7 15.Se8+

Psakhis gibt den letzten Zug mit (!) und beurteilt die Stellung als „=“, vermutlich, weil er die Zugwiederholung 15…Kd7 (gar nicht funktioniert 15…Kb6? Lxd8++- oder 15…Kb8 16.Lxd8 Sxg6 17.Lc7#) 16.Sf6+ usw. als erzwungen erachtet. Aber Pedersen (oder Fritz & Co) entkorken hier 15…Dxe8! 16.Dxe8 Lg7 und nun ist die weiße Dame ebenfalls verloren, da gefangen! 17.Ld8+ Kb8 18.Le7 b6! es drohte 19.Ld6 Matt. 19.Dxh8 (19.Lf8 Txf8 -+) 19…Sd3+ 20.Kd2 Lxh8 21.Ld6+ Kb7 22.Kxd3 cxd4 und laut Pedersen steht Schwarz klar besser.

Bemerkenswert ist noch die Einleitung, in welcher Pedersen einige typische Motive der einzelnen Abspiele an ausgewählten Partiefragmenten erläutert. Obwohl die Beispiele nicht schlecht gewählt sind, hätten es doch gerne ein paar mehr sein dürfen – knapp zehn an der Zahl werden dem strategischen Reichtum der Französischen Tarrasch-Variante nicht gerecht – allerdings fehlt bei Psakhis ein solches Kapitel komplett.

FAZIT

Wer in die Thematik „Tarrasch-Franzose“ einsteigen oder sich auf den neusten Stand bringen möchte, dem sei Pedersens ansehnliches und solides Werk durchaus empfohlen. Wer allerdings das (gute) Buch von Psakhis schon besitzt, sollte sich zwei Mal überlegen, ob ein „Update“ die doch recht stolzen 26.50 €uro wert ist.