KOLUMNE

Die Karl-Kolumne ergänzt die Printausgabe des Karl. Die Kolumne präsentiert Rezensionen aktueller und alter Schachbücher, Betrachtungen über die Literatur, Kultur und Psychologie des Schachs und gelegentliche Kommentare zum aktuellen Schachgeschehen.

 

HANDLICHES EQUIPMENT

Die neue DGT960 Schachuhr

von FM Harry Schaack

DGT960 Schachuhr

DGT960 Schachuhr, 29,95 Euro

Der Anfang des Jahres verstorbene 11. Weltmeister Bobby Fischer war nicht nur einer der größten Spieler der Schachgeschichte, sondern auch einer seiner größten Reformer. Viele Innovationen, die heute selbstverständlich sind, gingen auf seine Anregungen zurück. Er sorgte dafür, dass sich das Schach zu einer professionellen Betätigung entwickeln konnte, indem er angemessene Bezahlungen von den Organisatoren forderte. Davon profitierten in den Siebzigern besonders die westlichen Spieler, die meist auf sich allein gestellt waren und nicht auf staatliche Unterstützung hoffen konnten, wie es in der UdSSR der Fall war.

Doch Fischers Änderungsvorschläge richteten sich auch auf Einzelheiten. Von ihm stammt die Idee der Zeitzugabe pro Zug, die heute dank der elektronischen Uhren kein Problem mehr ist und sich als Standard etabliert hat.

Die immer detaillierter werdende Eröffnungstheorie war der Ausgangspunkt, der schließlich in den Neunziger Jahren zum wohl radikalsten Vorschlag Fischers führte. Er schlug eine Spielvariante vor, bei der die Figurenaufstellung auf der Grundreihe ausgelost wird. Diese revolutionäre Idee, die Fischer selbst oftmals erprobte, verbreitete sich zunächst langsam. Seit einigen Jahres wird das „Fischer Random“ (heute besser bekannt als Chess960, wegen der 960 Grundstellungen) durch das stärkste Schnellschachturnier der Welt, den Chess Classic in Mainz popularisiert. Dort versammelt sich beim FiNet Open alljährlich die Weltspitze und misst sich in dieser ungewöhnlichen Schachdisziplin auf höchstem Niveau. Im letzten Jahr versuchte sich bei der FiNet Chess960 Rapid World Championship erstmals auch der jetzige Weltmeister Vishy Anand. Im Endspiel des Viererturniers unterlag er jedoch dem amtierenden Chess960 Weltmeister Lewon Aronian in einem spektakulären Match, das viel zur weiteren Akzeptanz dieser Spielart beigetragen hat.

Auf diesen Boom hat die Schachindustrie reagiert. Mittlerweile können fast alle Programme auch Chess960 spielen. Und kürzlich hat der Uhrenhersteller DGT die erste Chess960 Uhr herausgebracht.

Die „DGT960“ ist etwas kleiner als ein Brillenetui und nur knapp 2 cm hoch, sodass sie bequem in jede Jackentasche passt. Trotz ihrer geringen Größe hat die Uhr eine gute Standfestigkeit. Obwohl sie etwas zerbrechlich aussieht, ist sie robust verarbeitet. Die breiten Drückflächen ermöglichen auch in großer Zeitnot eine unkomplizierte Bedienung des Gerätes und ein angenehm großes Display lässt den Stand der Dinge leicht erfassen.

Die Bedienung ist einfach und unterscheidet sich nicht sonderlich von anderen digitalen Uhren. Praktischerweise schaltet sich das Display schon mit dem Aufklappen ein. Optional kann ein Tonsignal zugeschaltet werden, durch das der Spieler akustisch gewarnt wird, sobald nur noch 5 Sekunden verblieben sind.

Der Zeitmodus lässt sich leicht mit der Plus- und Minus-Taste verstellen. Man kann eine feste Bedenkzeit pro Zug festlegen, die sich mit jeder Uhrbetätigung wieder erneuert. Zudem gibt es die Möglichkeit, eine Bonuszeit, das so genannte „increment“, festzulegen. Eine weitere Möglichkeit ist das bei Turnieren eher unübliche „delay“, das den Beginn des Zeitablaufs nach dem Drücken der Uhr verzögert. Auch während der Partie lässt sich die Zeit nach Belieben um-, vor- oder zurückstellen. Die Einstellungen werden gespeichert und stehen bei einem späteren Gebrauch wieder zur Verfügung.

Die Uhr unterscheidet sich von einem herkömmlichen Modell durch die Stellungsoption. Mit jedem Start wird automatisch und zufällig eine der 960 Anfangsaufstellung ausgewählt und digital angezeigt. Mit der 960-Taste kann auch manuell eine der Grundaufstellungen gesucht werden. Dies kann entweder zufällig geschehen oder bewusst durch Eingabe der Stellungsnummer. Zudem kann man einfach die Grundaufstellung Figur für Figur eingeben, was bei Turnieren sinnvoll sein kann.

Die DGT960 Schachuhr ist das richtige Vorbereitungsequipment für die Ende Juli stattfindenden Chess Classic, wo sich die Amateure im Chess960 mit der Weltklasse messen können, ohne schon zu Beginn an den mangelnden Eröffnungskenntnissen scheitern zu müssen.

Abschließend noch ein Schiffbruch, der zeigt, dass gelegentlich auch TopTen Spielern überraschende Ausrutscher in ungewohnten Stellungen unterlaufen:

MAMEDJAROW
KAMSKY
6. FiNet Open Chess Classic Mainz, 2007

1.d4 f5 2.f3 Sd6 3.c3 Sg6 4.f4 Ld5 5.Df2 e6 6.Lb3 Le4+ 7.Sd3 Sh4 Durch die sorglose Spielweise Mamedjarows, der zu diesem Zeitpunkt mit 5/5 das Turnier anführte, ist plötzlich der Bauer g2 nicht mehr zu decken. Der Amenier hat nun ein Blackout.

8.g3 Sg6 Jetzt ist der Sh1 und damit die Partie verloren . 0–1