KOLUMNE

Die Karl-Kolumne ergänzt die Printausgabe des Karl. Die Kolumne präsentiert Rezensionen aktueller und alter Schachbücher, Betrachtungen über die Literatur, Kultur und Psychologie des Schachs und gelegentliche Kommentare zum aktuellen Schachgeschehen.

 

GUTE EINFÜHRUNG IN GRÜNFELD-INDISCH

von IM Erik Zude

Bogdanov The Grünfeld Cover

Valentin Bogdanov
Chess Explained: The Grünfeld
Gambit Verlag, 2009,
Paperback, Englisch, 128 Seiten,
15,95 Euro

(Das Belegexemplar wurde  freundlicherweise von der Firma Niggemann zur Verfügung gestellt.)

In der Chess Explained– Serie des Gambit Verlages werden Eröffnungen vorgestellt. Dem Leser wird eine Übersicht über die wesentlichen Systeme und typischen Strukturen, Ideen und Pläne angeboten. In jedem Band werden 25 Partien kommentiert, die ausnahmslos in den vergangenen Jahren gespielt wurden, wodurch ein starker Bezug zur aktuellen Großmeister-Praxis hergestellt wird.

Der Internationale Meister Valentin Bogdanov leistet diese Arbeit nun für die Grünfeld-Indische Verteidigung. Auf den ersten Blick erscheint es ein aussichtsloses Unterfangen, alle Hauptsysteme dieser sehr theoretischen  Eröffnung auf nur 128 Seiten unterbringen zu wollen. Dies gelingt ihm jedoch mit der Wahl einer kleinen Schrifttpye, sowie mit einem guten Gespür dafür, auf welche Abspiele die Darstellung begrenzt werden kann.

Bogdanov macht hier durchaus nicht Halt vor einigen der längsten scharfen Varianten der Eröffnungstheorie. So wird sich mancher Besitzer von Sakaeevs sehr ausführlichem Weiß-Repertoire-Buch How to Get the Edge against the Grünfeld wundern, dass Bogdanov die Hauptvariante eines der drei von Sakaev vorgeschlagenen Angriffssysteme ganz beiläufig zu einem erzwungenen Remis führt. Der Autor deutet solche sehr theoretischen Zugfolgen jedoch meist nur an, ohne sie in der Breite zu untersuchen.

Bei der Fülle des vorgestellten Partiematerials – jede Partie enthält noch einige weitere Partiefragmente – bleibt Bogdanov nur begrenzter Platz für ausführliche Erläuterungen. Er erklärt jedoch sehr gut die wesentlichen Ideen und gelegentlich auch die historische Entwicklung der unterschiedlichen Pläne.

Hier liegt jedoch auch eine Schwäche des Konzeptes, eine Eröffnung lediglich anhand aktueller Partien zu betrachten. Für Leser, die bisher wenig oder gar keinen Umgang mit der Grünfeld-Indischen Verteidigung hatten, kommen die Klassiker zu kurz. Die heutigen Spielweisen werden leichter verständlich, wenn man sich Versuch und Irrtum der „alten Meister“ vor Augen führt. Man muss nicht unbedingt Fischers Glanzpartie gegen Byrne zum n-ten Male durchexerzieren, – wobei das bestimmt nicht schadet! – es gibt aber gerade in der Grünfeld-Verteidigung auch recht moderne Klassiker, die man nicht auslassen sollte, z.B. Gelfand-Shirow, Rubinstein Memorial 1998.
Ein solches Herangehen würde allerdings dem Konzept der Serie widersprechen und deutlich mehr Platz beanspruchen.

Insgesamt jedoch ein guter Einstieg in die Grünfeld-Verteidigung, besonders empfehlenswert für Schachfreunde, die nicht allzu viel Zeit investieren wollen. Das Material ist auch für den Einsatz in der Turnierpraxis ausreichend. Theoriehaie und solche, die es werden wollen, greifen in jedem Fall zusätzlich auf andere Quellen zurück. Aber auch für erfahrene Grünfeld-Praktiker ist der Band eine Gelegenheit, einige gut kommentierte Großmeister-Partien der letzten Jahre nachzuspielen.