KOLUMNE

Die Karl-Kolumne ergänzt die Printausgabe des Karl. Die Kolumne präsentiert Rezensionen aktueller und alter Schachbücher, Betrachtungen über die Literatur, Kultur und Psychologie des Schachs und gelegentliche Kommentare zum aktuellen Schachgeschehen.

 

SCHLANKES SCHOTTISCH-REPERTOIRE

von IM Erik Zude

Barskys Scotch Game for White Cover

Vladimir Barsky,
The Scotch Game for White,
Chess Stars 2009,
196 Seiten, kartoniert,
23,50 Euro

(Das Belegexemplar wurde  freundlicherweise von der Firma Niggemann zur Verfügung gestellt.)

Der Internationale Meister Vladimir Barsky ist ein erfahrener Coach und Buchautor, der bei seinen Eröffnungswerken anscheinend dem Gedanken folgt, dass wir Otto-Normal-Verbraucher nicht das benötigen, was für Großmeister oder gar Top-Spieler wichtig ist. Seine Repertoire-Bücher drehen sich meist um wenig theorielastige Systeme, in denen taktisch forcierte Zugfolgen eher die Ausnahme bilden, das Spiel aber immer eine gesunde positionelle Grundlage hat. Damit unterscheiden sie sich deutlich von einigen sehr detaillierten Repertoire-Büchern der letzten Jahre, z.B. denen von Großmeister Boris Avrukh.

Das von Barsky vorgeschlagene Schottisch-Repertoire, beginned mit der Stellung nach 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.d4 exd4 4.Sxd4, basiert zwar auf dem Hauptabspiel, in dem man um das Studium einiger konkreter Varianten nicht herumkommt. Wo es gut möglich ist, wählt der Autor jedoch eher weniger theoretische Varianten aus, gelegentlich auch als zusätzliche Zweitwaffe. Gegen 4…Lc5 z.B. zeigt er die auch bei Top-Spielern in den letzten Jahren populär gewordene Variante 5.Sxc6, bei der ähnliche Zentrumsstrukturen vorkommen, wie sie auch in der Hauptvariante auftreten. So umgeht er die Notwendigkeit, dem Leser das Studium zusätzlicher Stellungsbilder wie nach 5.Le3 oder 5.Sb3 aufzubürden. Dieser Ansatz ist pragmatisch und gerade für Neulinge in Schottisch oder Spieler, die weniger Zeit für das Lernen von Eröffnungen aufbringen möchten, gut geeignet.

Schottisch-Neulinge und „Wenigzeitinhaber“ sind auch offensichtlich die hauptsächlich angesprochenen Lesergruppen. Barsky geht bei seinen Betrachtungen zwar durchaus ins Detail und stellt auch einiges an Variantenmaterial vor, strebt aber nicht an, überall theoretisch auf dem neuesten Stand zu sein. Dies ist hier für gewöhnliche Turnierspieler auch nicht notwendig. Barsky gibt sich dagegen große Mühe, den Lesern die typischen Bauernstrukturen und beiderseitigen Pläne gut zu erklären und widmet desen Erläuterungen auch recht viel Platz. Das ist auch ein großer Vorzug des Buches.

Der Band ist in der für den Chess Stars Verlag üblichen Form strukturiert. Jedes Hauptabspiel beginnt mit einem Abschnitt „Quick Repertoire“, der lediglich die wichtigsten Ideen erklärt, gefolgt vom Variantenbaum unter „Step by Step“ und einigen kommentierten Partien, insgesamt 50. Dort sind die Anmerkungen sehr oberflächlich gehalten, längere Analysen finden sich ausschließlich unter „Step by Step“. Dieses Format ist sehr gut geeignet um einen schnellen und unkomplizierten Einstieg zu erhalten. Auch der Umstand, dass der Autor viele „Fehlversuche“ für beide Seiten erwähnt, ist für noch ungeübte Schottisch-Spieler nützlich. Wer schon über einige Erfahrung verfügt, kann manches zügig überfliegen.

Die von Barsky vorgeschlagenen Varianten sind sehr solide. Einzige Ausnahme ist das System 4…Sf6 5.Sxc6 bxc6 6.Ld3, das er dem Leser als weniger theorielastige Alternative zur Hauptvariante anbietet. Das Spiel ist danach sehr trickreich und als Überaschungswaffe gut geeignet. Auf einem Niveau ab ca. Elo 2200 wird man es aber kaum einem durch die Datenbank vorgewarnten Gegner vorsetzen wollen. Barsky ist objektiv genug um zu betonen, dass Weiß für den geopferten Bauern gerade genug Kompensation erhält. Da man auch hier kaum um das Studium einiger recht spezieller Zugfolgen herumkommt stellt sich – wie so oft bei „Überraschungswaffen“ – die Frage, ob man nicht lieber gleich das Hauptsystem studiert. Barskys ca. 45 Seiten lange Analysen und Erklärungen bieten dafür einen sehr guten Startpunkt.

Satz und Layout sind gut. Die beim Chess Stars übliche Trennung der Untervarianten durch Klammern, Semikolon oder einen Absatz stört allerdings hier ein wenig; eine durchgängige Unterteilung mit Buchstaben und Ziffern wäre übersichtlicher. In diesem Buch fällt die jedoch kaum ins Gewicht, da vergleichsweise weniger Untervarianten angegeben werden. Wem also noch das Studium von Victor Bologans Königsindisch-Repertoire in den Knochen steckt, kann beruhigt sein: Barskys Buch ist stets übersichtlich zu lesen.

FAZIT

Ein erfrischend schlank gehaltenes Eröffnungsrepertoire, das Schottisch-Neulingen jeden Spielniveaus und Schachfreunden mit wenig Muße zum Theoriestudium empfohlen werden kann.

INHALTSVERZEICHNIS

1.e4 e5 2.Nf3 Nc6 3.d4 cxd4 4.Nxd4

1 4…Nxd4; 4…Nge7; 4…d5
10 Quick Repertoire
14 Step by Step
29 Complete Games

2 4…g6; 4…d6
33 Quick Repertoire
39 Step by Step
51 Complete Games

3 4…Qh4 5.Nc3 Bb4 6.Be2
55 Quick Repertoire
58 Step by Step
71 Complete Games

4 4…Bc5 5.Nxc6
74 Quick Repertoire
79 Step by Step
104 Complete Games

5 4…Bb4+ 5.c3
116 Quick Repertoire
118 Step by Step
126 Complete Games

6 4…Nf6 5.Nxc6 bxc6 6.Bd3
129 Quick Repertoire
133 Step by Step
146 Complete Games

7 4…Nf6 5.Nxc6 bxc6 6.e5
152 Quick Repertoire
157 Step by Step
182 Complete Games