MIT SPASS ZUM ERFOLGREICHEN TAKTIKER

Von Martin Fischer

How to Become a Deadly Chess Tactician Cover

David LeMoir,
How To Become a Deadly Chess Tactician,
Gambit: 2002,
240 Seiten,
23,42 Euro

(Das Belegexemplar wurde  freundlicherweise von der Firma Niggemann zur Verfügung gestellt.)

Wer wäre nicht gern ein “tödlicher Taktiker” – ein Spieler, der seine Punkte mit hübschen Glanzpartien und kleinen Kabinettstückchen garniert. David LeMoirs How To Become a Deadly Chess Tactician verspricht, diesem Ziel ein Stück näher zu kommen. Das Buch allein wird einen zwar nicht in einen “tödlichen Taktiker” verwandeln, macht aber Lust, wieder einmal etwas für die taktischen Fähigkeiten zu tun. Arbeitet man es gar durch, ist man taktisch sicher gefährlicher als vorher.

Ermuntert wird man zu dieser Arbeit durch die unterhaltsame Form. Die Aufgaben zu lösen und den Text zu lesen macht genauso Spaß wie das reine Blättern, denn die eingefügten Illustrationen lockern den schachlichen Stoff angenehm auf.

Le Moir verfolgt ein klares Konzept, um den Leser zu einem waschechten Taktiker zu machen. Drei Dinge, so meint er, braucht der Schachspieler, um auf diesem Gebiet erfolgreich zu sein: die Bereitschaft, die Entscheidung der Partie durch taktische Mittel zu suchen; die Kenntnis taktischer Konzepte sowie eine geschulte Vorstellungskraft, um sie umzusetzen; und schließlich die Fähigkeit gut und effektiv zu rechnen.

Diese drei Voraussetzungen werden in dem Buch unterschiedlich ausführlich beleuchtet. LeMoir beginnt mit einem “Parforce-Ritt” durch die Schachgeschichte und wirft dabei vor allem einen Blick auf die “üblichen Verdächtigen” in Sachen Taktik – Anderssen, Aljechin, Tal und Kasparow. Trotz vieler bekannter Beispiele ein sehr unterhaltsamer Teil. Im nächsten Abschnitt werden wir in einer kleinen Sammlung von, zumindest mir, größtenteils unbekannten Beispielen damit vertraut gemacht, dass vieles relativ ist, vor allem materielle Dinge. Der erste Teil des Buches möchte vor allem unterhalten, um den Leser zu motivieren, taktisch zu spielen. Dieses Ziel wird erreicht. Die Beispiele zeigen, dass die taktische Entscheidung kein Zufallsprodukt sein muss, wenn man sie sucht und das Risiko nicht fürchtet.
Der zweite Teil des Buches beschäftigt sich mit verschiedenen taktischen Konzepten. LeMoir erläutert beispielsweise ruhige Opfer (ohne Schlagfall oder Schach) sowie einige “Standard-Motive” (z.B. das Springeropfer auf d5 oder die Stärke von Freibauern). Auch wenn der Autor seinen lockeren und humorvollen Stil beibehält, ist hier die erhöhte Aufmerksamkeit des Lesers gefordert, denn es wird – schachlich – wirklich anspruchsvoll.

Dann folgt ein Abschnitt über die Kunst des Analysierens. Dieser Teil hat mir vor allem wegen seiner Kürze und seiner Beschränkung auf Wesentliches gefallen. Das Buch enthält bereits in seinen ersten beiden Teilen genügend Beispiele, an denen der Leser seine Rechenfähigkeiten testen und weiter entwickeln kann. Hier gibt der Autor dem Klub-Spieler lediglich einige praktische Tipps, wie er Ordnung in sein mentales Chaos bringen kann. Außerdem verweist LeMoir auf weiterführende Literatur zum Thema.

Zum Schluss folgen mehrere Seiten mit Testaufgaben. Bei diesen Tests behält der Autor das Konzept der vorhergehenden Kapiteln bei. Er beginnt mit leichten Aufgaben (Level 1), dann folgen mittelschwere Aufgaben (Level 2) und am Ende richtig schwere Aufgaben (Level 3). Allerdings wirken LeMoirs Ansichten, welche Aufgaben schwer und welche leicht sind, manchmal recht willkürlich. Mitunter sind die Sprünge im Schwierigkeitsgrad der Beispiele ziemlich heftig, was aber durch die ausführlichen Erläuterungen des Autor teilweise aufgefangen wird. Ich hätte mir etwas mehr leichtere Beispiele gewünscht, um zu größeren Erfolgserlebnissen zu kommen.

Aber dennoch ein sehr gelungenes Buch, das allerdings insbesondere beim humorvollen Teil solide Englischkenntnisse verlangt, wenn man in den vollen Lesegenuss kommen möchte.