ANDREW SOLTIS

NEW YORKER, GROSSMEISTER, AUTOR

Andy Soltis ist einer der bekanntesten und produktivsten Schachautoren unserer Zeit. Seit seinem dritten Lebensjahr lebt Soltis in New York, wo er bis zu seinem Ruhestand als Journalist bei der New York Post gearbeitet hat. Mit KARL sprach der amerikanische Großmeister über seine Schachkarriere, seine Bücher, das Schachleben in New York und seine Begegnungen mit Bobby Fischer.

Aufgezeichnet von Johannes Fischer

(Der Artikel ist auszugsweise wiedergegeben.
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Andrew Soltis
Foto: Soltis privat

Ich wurde am 28. Mai 1947 in Hazleton, Pennsylvania geboren und habe meine ersten Jahre am State College in Pennsylvania verbracht. Mein Vater hat dort an der Penn State University studiert. Nach seinem Abschluss sind wir nach New York gezogen, ich glaube, ich war damals drei oder vier Jahre alt. Von meinem achten bis zu meinem 26. Lebensjahr habe ich in Astoria, im Stadtteil Queens, gewohnt. Das war damals ein ausgeprägtes Arbeiterviertel, heute ist es sehr trendy. Früher war Astoria eine deutsche Enklave (Steinway baute seine Fabrikstadt in diesem Viertel, um den Gewerkschaften und dem Radikalismus in Manhattan zu entgehen), doch als ich groß wurde, dominierten Italiener und Griechen im Viertel. Wenn Wahlen anstanden, erhielt ich immer griechische Wahlwerbung, weil mein Name griechisch wirkt. Tatsächlich geht er auf „Schultheiß“ zurück – so hießen meine Vorfahren, die vor Jahrhunderten in der Slowakei gelebt haben.

ERSTE SCHRITTE

Als ich zehn war, habe ich das Schach entdeckt. In der Astoria Public Library war mir einmal ein Lehrbuch in die Hände gefallen, aber zunächst habe ich Schach nicht ernst genommen. Das änderte sich vier Jahre später, als ich anfing, die Partien des Revanchewettkampfs zwischen Tal und Botwinnik 1961 zu verfolgen, die in der New York Times abgedruckt waren. Ich weiß noch, dass ich mich gefragt habe, warum irgendjemand auf die Idee kommt, 1.c4 zu spielen und warum der Gegner darauf mit 1…g6 antwortet.

Im Nachhinein bin ich mir nicht sicher, was genau mich damals am Schach fasziniert hat, aber ich glaube, es gibt Leute, die einfach gerne denken und den Wettkampf lieben. Solche Leute finden das Schach.

Mein anhaltendes Interesse an dem Spiel verdanke ich allerdings einer Reihe glücklicher „Zufälle“. Das oben erwähnte Lehrbuch in der Bücherei zu entdecken, war einer davon. Und in der Zeit, in der ich die Partien des Wettkampfs zwischen Tal und Botwinnik nachgespielt habe, gründete irgendjemand in Astoria einen Schachklub, in dem ich dann Mitglied wurde. Der dritte Zufall war, dass ich 1962 in der New York Times auf eine Notiz stieß, in der stand, dass Larry Evans die Woche darauf im Marshall Chess Club einen Vortrag halten und eine Simultanvorstellung geben würde.

Das führte zu meinem ersten Besuch im Marshall Chess Club. Ich ging die Treppe in den ersten Stock hinauf und traf dort eine kleine, grauhaarige Dame, die meine drei Dollar für das Simultan ein­sammelte und mir sagte, ich sollte mich an ein Brett setzen, das sich, wie ich später herausfand, neben einem 120 Jahre alten Kamin befand. In der Partie gegen Evans gewann ich am Anfang eine Figur, verlor aber später. Nachdem ich aufgegeben hatte, stand ich verlegen herum und hoffte, unauffällig verschwinden zu können. Ich hielt dies für das Ende meiner Schachkarriere. Aber die kleine Dame befand sich immer noch an der Treppe. Sie erlaubte sich eine kleine Lüge, lobte mein gutes Spiel und meinte, der Verein brauche Spieler wie mich. Sie gab mir ein Beitrittsformular und fügte hinzu, sie wäre Mrs. Marshall, aber ich sollte sie „Carrie“ nennen, wie alle ihre Freunde. Wie hätte ich danach mit dem Schach aufhören sollen?

DER WEG ZUM GROSSMEISTER

Das erste Turnier, das ich je gespielt habe, war die New York City Junior Championship 1962. Ich gewann meine erste Partie mit der Variante 3.e5 c5 4.Dg4 im Vorstoß-Franzosen (ich hatte Nimzowitschs Mein System gelesen). Mein Gegner war Paul Magriel, der später der beste Backgammon-Spieler der Welt wurde. Die zweite Partie habe ich verloren. Gegen Bill Goichberg, den späteren Präsidenten des US-Amerikanischen Schachverbands USCF.

Im ersten Jahr meiner Karriere spielte ich in Turnieren, in denen eine Partie pro Woche auf dem Programm stand. Ich weiß noch, dass ich erst ein „Class C“ Turnier gewann (1400-1600), danach ein „Class B“ Turnier. Doch wie ich besser wurde, weiß ich nicht. Einen Mentor oder Trainer hatte ich nie. Ich habe immer noch eine Kolumne von Paul Keres, die ich in der Chess Life vom Mai 1971 gefunden habe. Keres schrieb: „Meiner Ansicht nach ist der beste Weg, für einen jungen, aufstrebenden Spieler, der sein Talent entwickeln will, ein permanenter Austausch mit einem erfahrenen Großmeister. Ich glaube, das ist die Methode, die von jungen Meistern wie Andersson, Mecking, Browne, Rogoff, Soltis, Karpow, Tukmakow, Balashow, Adorjan, Ribli und anderen angewandt wird, die in der internationalen Schachwelt einen hohen Rang bekleiden.“ Immer, wenn ich etwas zum Lachen brauche, schaue ich mir diese Kolumne an.

Mein Stil ist vorwiegend taktisch und basiert im Prinzip auf viel Rechenarbeit, wobei ich keine Angst habe, Material zu opfern. Ich hatte ein Eröffnungsrepertoire, das aus ein paar Eröffnungen bestand, die ich (früher) gut kannte. Damit habe ich versucht, ein komplexes Mittelspiel zu erreichen, in dem meine besseren Rechenfähigkeiten zum Tragen kommen konnten.

Die beste Partie meiner Karriere ist wahrscheinlich mein Sieg gegen Karl-Heinz Maeder bei der Studentenolympiade 1969 in Dresden. Ich hatte Weiß und spielte Najdorf mit 6.Lc4. Wie viele andere Spieler aus den USA in der Zeit habe ich Fischers Eröffnungen gespielt.

A. SOLTIS
K. H. MAEDER
Dresden 1969 [B86]

1.e4 c5 2.Sf3 d6 3.d4 cxd4 4.Sxd4 Sf6 5.Sc3 a6 6.Lc4 e6 7.Lb3 Le7 8.f4 0-0 9.Df3 Dc7 10.f5 e5 11.Sde2 b5 12.g4 b4 13.g5 bxc3 14.Sxc3 Lb7 15.gxf6 Lxf6 16.Le3 Lh4+ 17.Lf2 Lxf2+ 18.Dxf2 Sd7 19.Tg1 Kh8 20.0-0-0 Sf6 21.Td3 De7 22.Dh4 Tac8 23.Th3 Txc3 24.Txc3 Lxe4 25.Dg5 g6

26.Tc7 Dxc7 27.Dxf6+ Kg8 28.Txg6+ hxg6 29.Dxg6+ Kh8 30.Dh6+ Kg8 31.f6 1:0

(Der Artikel ist auszugsweise wiedergegeben.
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