VON GIGAMÄUSEN UND KÖNIGSKINDERN

Von Stephan Wendel

Fritz & Fertig, Folge 1, Cover

Jörg Hilbert,
Fritz & Fertig,
Schach lernen und trainieren,
(CD-Rom),
Terzio / ChessBase, 2002,
36,- Euro

(Das Belegexemplar wurde  freundlicherweise von der Firma ChessBase zur Verfügung gestellt.)

Fritz & Fertig wurde nach seinem Erscheinen im Herbst dieses Jahres mit Preisen geradezu überhäuft: U.a. erhielt das Programm auf der diesjährigen Frankfurter Buchmesse die „Goldene Gigamaus“ für die beste Kinder-Software des Jahres. Nach all dem Lob und der Werbung der Produzenten („vollkommen neuartiger interaktiver Weg zum Lernen und Trainieren des Schachspiels“ und „Schach-Adventure“) legte ich die CD mit hohen Erwartungen in das Laufwerk meines Computers. Sie wurden nicht enttäuscht.

Fangen wir mit dem „Adventure“-Teil an. Die Trainingseinheiten, laut Hersteller für Kinder ab 8 Jahren geeignet, sind in eine entzückende Rahmengeschichte eingebettet: Prinz Fritz und seine Cousine Bianca haben es sich im Schloss der Eltern gerade gemütlich gemacht, als ihnen eine Herausforderung zum Schachduell vom finsteren König Schwarz ins Haus flattert. Der möchte sich die Abwesenheit des Königspaars (sie weilen im Urlaub) zunutze machen, um sich für eine frühere Niederlage zu rächen. Begleitet von König Bunt, einem alten Freund der Familie, und später dann von der Kanalratte Fred Fertig, begeben sich Fritz und Bianca stellvertretend für die kindlichen Spieler auf den Trainingsparcours, um für das Duell gerüstet zu sein. Im Parcours warten viele liebevoll gestaltete Details auf ihre Entdeckung. In einer ersten Phase durchlaufen unsere Helden sechs Spiele, bei denen sie – ohne direkten Bezug zum Schach! – mit den Eigenarten der Schachsteine vertraut gemacht werden: Sie sollen Kloschüsseln zerdeppern, um die Gangart des Läufers zu erlernen, und an der „Bärentaler Bauernkloppe“ lernen sie die Zug- und Schlagart der Bauern kennen. Fünf dieser sechs Lernstationen scheinen mir gut gelungen; einzig den didaktischen Wert des an Pacman erinnernden Labyrinths, in dem das Kind Geldstücke von Zitterlind McSparpfennig einsammelt und dabei von Spinnen verfolgt wird, wage ich anzuzweifeln. Die Vorstellung, durch das Manövrieren in den Gängen des Labyrinths, das nur senkrecht und waagrecht möglich ist, könne die Fortbewegungsart des Turmes im kindlichen Gedächtnis verankert werden, halte ich für zu optimistisch. Die assoziative Verbindung zwischen den beiden erscheint mir zu schwach.

Hat der Spieler oder die Spielerin all dies gemeistert, gelangt er oder sie in das Kernstück des Programms, die „Muckibude für Hirngymnastik“. In drei Trainingsräumen von ansteigendem Schwierigkeitsgrad („Leicht-, Mittel- und Schwergewicht“) kann das zuvor erworbene Wissen, die Gangarten der Schachfiguren und auch schon das Mattsetzen mit diesen Steinen geübt werden. Dazu kommen Übungen zum Schlagen von Steinen und zu Sonderregeln wie Rochade und Patt. Bei erfolgreich absolvierter Übung erhält der Spieler einen Pokal mit (vereinzelt etwas angestrengt wirkendem) Merksprüchlein. Hat man alle Pokale im Schrank und wurde der Lernfortschritt auf der „Hirnwaage“ attestiert, darf der Spieler zum abschließenden Duell in der „Arena“ antreten, wo ihn König Schwarz erwartet. Hier darf das Kind seine bisher erworbenen Kenntnisse gegen ein auf niedriger Stufe spielendes Fritz-Schachprogramm, das hinter König Schwarz steckt, erproben. Bei Erfolg kann die Spielstärke des Gegners erhöht werden oder man wendet seine neuen Fähigkeiten im Kinderschachraum des Schachservers von Chessbase an. Die Verbindung lässt sich von der CD problemlos herstellen.

In ihrer Besprechung in der Novemberausgabe der Zeitschrift Schach (S.60-61) stellte Sibylle Heyme zu Recht fest, dass es vorzuziehen gewesen wäre, wenn dem noch über keine Spielpraxis verfügenden Kind vor dem ersten echten „Duell“ mit dem Computerprogramm ein paar strategische Lektionen (zum Beispiel zur Bedeutung der Zentrumsfelder) mit auf den Weg gegeben worden wären. Doch auch diese berechtigte Kritik kann das Bild der CD nur unwesentlich trüben: Meiner Einschätzung nach sind methodischer Ansatz sowie Gestaltung des Lernprogramms so gelungen, dass der Kauf nachdrücklich empfohlen werden kann. Bleibt zu hoffen, dass das Programm so viele Käufer und Käuferinnen findet, dass es in den Kassen von Chessbase und Terzio, des renommierten Münchener Softwareproduzenten, tüchtig klingelt. Denn in diesem Fall stünde vielleicht genug Geld zur Verfügung, um in einer künftigen Version die beiden oben erwähnten Schwachpunkte zu beseitigen. Also, meine Damen und Herren Eltern, Onkel und Tanten: Lassen Sie sich nicht durch den Preis von 36 Euro abschrecken! Legen Sie die „Gigamaus“-prämierte CD den lieben Kleinen (womöglich angehenden Schachprinzen und -prinzessinnen) unter den Weihnachtsbaum!