KOLUMNE

Die Karl-Kolumne ergänzt die Printausgabe des Karl. Die Kolumne präsentiert Rezensionen aktueller und alter Schachbücher, Betrachtungen über die Literatur, Kultur und Psychologie des Schachs und gelegentliche Kommentare zum aktuellen Schachgeschehen.

 

LEHRBUCH ODER SELBSTDARSTELLUNG?!

Von FM Uwe Kersten

Chess College Strategy Cover
Chess College Pawn Play Cover
Chess College Technique Cover

Efstratios Grivas,
Chess College 1-3,
(Strategy / Pawn Play / Technique),
Gambit Verlag 2006, je ca. 110 Seiten,
je 20,35 €

(Das Belegexemplar wurde  freundlicherweise von der Firma Niggemann zur Verfügung gestellt.)

Der griechische Großmeister Efstratios Grivas legt mit den vorliegenden drei Büchern – die hier gemeinsam besprochen werden sollen – eine Lehrserie vor, die den Lesern das Mittelspiel und seine typischen Themen nahe bringen soll. Inhaltlich gliedern sich die drei Bände wie folgt:

BAND 1 (STRAGEGY):

004 Symbols
005 Bibliography
006 Introduction
008 Getting to Know Ourselves
010 Training
012 Attacking the Uncastled King
027 Attacking the King: Castling on the Same Side
039 Attacking the King: Castling on Opposite Sides
049 The Exchange Sacrifice
061 The Positional Sacrifice
069 Outpost
079 Open File
092 Semi-Open File
102 Forepost
109 Index of Games
111 Index of Openings

BAND 2 (PAWN PLAY):

004 Symbols
005 Bibliography
006 Introduction
008 Passed Pawn
020 Isolated Pawn
041 Doubled Pawns
055 Backward Pawn
068 Hanging Pawns
080 Pawn-Majority
090 Pawn-Minority
101 Central Strike
109 Index of Games
111 Index of Openings

BAND 3 (TECHNIQUE):

004 Symbols
005 Bibliography
006 Introduction
008 Why Do We Lose?
009 Physical and Psychological Factors
011 Literature
012 The Bishop-Pair
023 Bishop against Knight
035 Knight against Bishop
047 Classical Bishop Sacrifice
058 Double Bishop Sacrifice
067 Won Positions
077 Lost Positions
087 Opposite-Coloured Bishops
096 Small Advantages
102 Immobilization
109 Index of Games
111 Index of Openings

 Wer die Inhalte überfliegt, findet eigentlich nichts wirklich Neues, da diese Themen auch schon zur genüge in anderen Publikationen behandelt worden sind. Dennoch zeichnet sich Grivas‘ Ansatz durch eine Besonderheit aus, die man zwar schon von Nimzowitschs Die Praxis meines Systems und einigen Nachfolgern kennt, aber dennoch für einen Großmeister mittlerer Kategorie eher ungewöhnlich ist: Grivas erläutert alle Inhalte fast ausschließlich an seinen eigenen Partien. Dieses Konzept beherrscht Band 1+2 fast vollständig, insgesamt sind nur drei Beispielpartien ohne seine Beteiligung enthalten, während in Band 3 immerhin nur noch circa die Hälfte aller aufgeführten Partien von ihm selber stammen.

Was ist nun von obigem Ansatz zu halten? Ein Vorteil ist sicherlich unverbrauchtes Partienmaterial zu bekannten Themen, da hier nicht immer dieselben Klassiker herhalten müssen. Ein weiterer Pluspunkt könnte die besondere Tiefe der Analyse sein – man denke nur an Hübners wissenschaftlichen Ansatz bei der Analyse seiner eigenen Partien – doch leider enttäuscht der Autor hier auf ganzer Strecke. Die Partiekommentare sind oberflächlich und vermitteln den Eindruck einer Fließbandproduktion. Die Tatsache, dass alle drei Bände praktisch zeitgleich erschienen sind, ist ein weiteres Indiz für diese Vermutung. Überhaupt kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, der Autor wolle seine eigenen Partien irgendwie an den Mann bringen und da eine Partiesammlung eines eher unbekannten Großmeisters wenig Absatzchancen hat, stülpte er kurzer Hand den Mantel eines Mittelspiellehrbuches darüber und verteilte seine Partien entsprechend der behandelten Themen.

Vielleicht hat Grivas aber auch einen Hang zu überzogener Selbstdarstellung. Schließlich hat er auch schon ein Buch mit dem Titel A Complete Guide to the Grivas Sicilian herausgebracht, wobei das Buch an sich keine schlechten Kritiken bekommen hat. Man darf aber schon fragen, ob es guter Stil ist, eine Variante eigenständig nach sich selber zu benennen – nach meiner Meinung sollte eine derartige Adelung immer von dritter Seite her erfolgen.

Auch der Preis von 20,45 € pro Band (ca.110 Seiten) scheint mir deutlich überzogen. Zum Vergleich erhält man das hoch gelobte Werk von J.Watson Geheimnisse der modernen Schachstrategie auf Deutsch für 24,45 € bei eine Seitenzahl von 288 – über die Unterschiede in der Qualität will ich lieber erst gar nicht eingehen …

FAZIT

Grivas‘ Ansatz, ein Mittelspielwerk an Hand der eigenen Partien zu erstellen, ist im Prinzip interessant, aber der Autor macht zu wenig daraus. Sowohl die Qualität der Analysen und Kommentare, als auch das Preis-Leistungsverhältnis vermögen nicht zu überzeugen. Wen man kein Grivas-Fan ist, braucht man dieses Werk nicht!